Der Drachenbeinthron
Isgrimnur sah sich im Raum um, betrachtete die solide Kargheit der Einrichtung und fragte sich wieder, ob sie nicht Trugbildern nachjagten, das winterliche Wetter nicht vielleicht ihr Urteilsvermögen hatte einfrieren lassen.
»Um nach Camaris’ Schwert zu suchen, Onkel Bärenhaut«, erklärte der Prinz mit dem Schatten eines Lächelns auf den Lippen. »Zweifelsohne ist es Wahnsinn, denn wir können auf nichts Besseres zurückgreifen als auf alte Geschichten und ein paar verblasste Worte in alten Büchern, aber es ist eine Möglichkeit, die ungeprüft zu lassen wir uns nicht leisten können. Wir haben sturmgepeitschten Winter im Sommermonat Yuven. Unsere Zweifel ändern daran nichts.« Sinnend sah er sich mit gespitztem Mund im Zimmer um.
»Binabik von Yiqanuc!«, rief er dann endlich, und der Troll sprang auf. »Wollt Ihr unsere kleine Schar auf die Fährte Dorns führen? Ihr kennt das nördliche Gebirge besser als jeder andere hier, wenn man vielleicht einmal von Jarnauga absieht, von dem ich hoffe, dass er Euch begleiten wird.«
»Ich würde voller Ehre sein, Prinz«, antwortete Binabik und ließ sich auf ein Knie nieder. Sogar Isgrimnur musste grinsen.
»Auch mir wäre es eine Ehre, Prinz Josua«, sagte Jarnauga und stand auf, »aber ich fürchte, es soll nicht sein. Hier in Naglimund kann ich Euch am besten dienen. Meine Beine sind alt, aber meine Augen noch scharf. Ich werde Strangyeard in den Archiven helfen, denn es gibt noch viele Fragen zu beantworten und noch viele Rätsel in der Geschichte des Sturmkönigs und dem Verbleib von Fingils Schwert Minneyar zu lösen. Vielleicht finde ich auch noch andere Wege, wie ich Euch helfen kann.«
»Hoheit«, fragte Binabik, »wenn noch ein Platz unbesetzt ist, wollt Ihr mir erlauben, den Jungen Simon mitzunehmen? Morgenes hat – es war sein letzter Wunsch – darum gebeten, dass mein Meister über den Jungen wachen sollte. Nach Ookequks Tod bin ich nun Meister und möchte mich dieser Pflicht nicht entziehen.«
Josuas Blick war skeptisch. »Ihr wollt über ihn wachen, indem Ihrihn auf eine wahnwitzige Expedition in den unerforschten Norden mitnehmt?«
Binabik zog eine Braue hoch. »Unerforscht von großen Leuten, vielleicht. Für mein Qanucvolk ist er wie der eigene Dorfanger. Und wäre es sicherer, ihn in einer Burg zurückzulassen, die sich zum Krieg mit dem Hochkönig rüstet?«
Der Prinz führte die langen Finger ans Gesicht, als schmerze ihn der Kopf. »Vermutlich habt Ihr recht. Wenn dieser schmale Streifen Hoffnung sich als nichtig erweist, wird es für niemanden, der auf der Seite des Herrn von Naglimund gestanden hat, mehr einen sicheren Ort geben. Wenn der Junge willig ist, könnt Ihr ihn mitnehmen.« Er nahm Binabik bei der Schulter. »Ausgezeichnet, kleiner Mann – klein, aber tapfer seid Ihr. Geht nun zurück an Eure Bücher. Morgen früh werde ich Euch drei wackere Erkynländer und Isgrimnurs Mann Sludig schicken.«
»Meinen Dank, Prinz Josua«, nickte Binabik. »Aber ich meine, dass wir lieber morgen Abend aufbrechen sollten. Wir werden eine kleine Schar sein, und unsere beste Hoffnung liegt darin, keine böse Aufmerksamkeit auf uns zu lenken.«
»So sei es«, antwortete Josua, erhob sich und hob wie segnend die Hand. »Wer weiß schon, ob dies ein sinnloses Unterfangen oder unser aller Rettung ist? Mit Trompetenschall und Jubelrufen solltet Ihr ausziehen; stattdessen muss die Ehre der Notwendigkeit weichen und Heimlichkeit das Losungswort sein. Ihr sollt wissen, dass unsere Gedanken bei Euch sind.«
Isgrimnur stand zögernd daneben, bückte sich dann plötzlich und ergriff Binabiks kleine Hand. »Verdammt seltsam ist das alles«, brummte er, »aber Gott sei mit Euch. Wenn Sludig aufsässig wird, seht es ihm nach. Er ist von feurigem Gemüt, aber sein Herz ist gut und seine Treue fest.«
»Habt Dank, Herzog«, erwiderte der Troll ernsthaft. »Möge Euer Gott uns wirklich segnen. Wir reisen ins Unbekannte.«
»Wie alle Sterblichen es tun«, fügte der Prinz hinzu. »Früher oder später.«
»Was! Du hast dem Prinzen und allen anderen gesagt, ich würde wohin mitkommen?« Simon ballte vor Wut die Fäuste. »Was für ein Recht hattest du dazu?«
»Simon-Freund«, versetzte Binabik gelassen, »niemand befiehlt dir zu gehen. Ich habe nur von Josua die Erlaubnis erbeten, dich an unserer Suche teilnehmen zu lassen, und sie wurde mir gewährt. Die Entscheidung liegt bei dir.«
»Bei Usires’ verdammtem Baum ! Was bleibt mir denn noch übrig?
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