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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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schließlich. »Man hat uns in letzter Zeit allzu oft miteinander gesehen.«
    »Und damit habt ihr ganz recht, Isgrimnur.« Eolair machte eine beruhigende Handbewegung. Er war für die Feiern zum Liebfrauentag gekleidet, bei denen er die Rolle des respektvollen Außenseiters spielte – eine Rolle, die den heidnischen Hernystiri gut stand. Sein Festtagswams aus weißem Stoff war dreifach gegürtet, jeder Gürtel mit Gold oder emailliertem Metall verziert, und seine lange schwarze Haarmähne am Hinterkopf mit einem goldenen Band zusammengebunden. »Ich habe nur einen Scherz gemacht, und es ist ein trauriger Scherz«, fuhr er fort, »wenn König Johans ergebenste Untertanen im Geheimen zusammenkommen müssen, um über Dinge zu sprechen, die kein Treuebruch sind.«
    Isgrimnur schritt langsam zur Tür und bewegte den Riegel, um sicherzustellen, dass er eingeschnappt war. Dann machte er kehrt, lehnte den breiten Rücken gegen das Holz und kreuzte die Arme über der mächtigen Brust. Auch er war festlich gekleidet, mit feinem, leichtem, blauem Wams und blauen Beinlingen. Aber die Flechten seines Bartes waren vom nervösen Herumzupfen bereits gelockert und die Beinlinge am Knie ausgebeult. Der Herzog hasste es, sich feinzumachen.
    »Nun«, brummte er endlich und warf trotzig den Kopf in den Nacken, »soll ich zuerst reden, oder wollt Ihr es tun?«
    »Wir brauchen uns nicht darum zu sorgen, wer als Erster spricht«, erwiderte der Graf.
    Für eine flüchtige Sekunde erinnerte die Röte in Eolairs Gesicht, die Farbe auf seinen hohen, schmalen Wangenknochen, den Älteren an etwas, das er vor vielen Jahren einmal gesehen hatte: eine gespenstische Gestalt, auf die er gut fünfzig Meter von ihm entfernt im Rimmersgarder Schnee einen kurzen Blick erhascht hatte.
    Einen von den »Weißfüchsen« hat mein Vater ihn genannt.
    Isgrimmur fragte sich, ob die alten Geschichten vielleicht doch stimmten – sollte es wirklich Sithiblut in den adligen Familien von Hernystir geben?
    Eolair strich sich im Weiterreden mit der Hand über die Stirn, wischte die winzigen Schweißtropfen ab, und die vorübergehende Ähnlichkeit war verschwunden. »Wir haben oft genug darüber gesprochen, um zu wissen, dass die ganze Sache entsetzlichschiefgegangen ist. Worüber wir jetzt reden müssen – und zwar ungestört und unbelauscht –«, er deutete mit der Hand auf den vollgestopften Archivraum, ein dunkles Nest aus Papier und Pergament, dem ein hohes, dreieckiges Fenster etwas Licht spendete, »ist, was wir dagegen tun können. Wenn wir etwas tun können. Und genau das ist das Problem: Was kann man unternehmen? «
    Isgrimnur war noch nicht bereit, so kühn über Dinge zu sprechen, die, was immer Eolair auch sagen mochte, schon jetzt den schwachen, übelkeiterregenden Geruch von Verrat an sich trugen. »Es ist folgendermaßen«, begann er. »Ich wäre der Letzte, der Elias die Schuld an diesem verdammten Wetter geben würde. Ich sollte es schließlich besser wissen, denn während es hier heiß wie Teufelsatem und knochentrocken ist, haben wir bei uns im Norden einen furchtbaren Winter; Schnee und Eis sind schlimmer denn je seit Menschengedenken. Also kann man dem König nicht das hiesige Wetter vorwerfen, genauso wenig wie es meine Schuld ist, dass in Rimmersgard die Dächer unter der weißen Last einstürzen und in den Stallungen das Vieh erfriert.« Er zupfte heftig, und eine weitere Flechte seines Bartes löste sich auf. Aus dem grauen Gestrüpp hing das Band schlaff herunter.
    »Was man Elias allerdings vorwerfen muss, ist, dass er mich hier festhält, aber das ist eine andere Schnur und ein anderer Haken … Nein, das Schlimme ist, dass der Mann sich gar nichts aus allem zu machen scheint! Die Brunnen versiegen, die Höfe liegen brach, in den Feldern schlafen Verhungernde, und die Städte ersticken an der Pest – und Elias scheint das alles gar nicht zu kümmern. Steuern und Abgaben steigen, und den ganzen Tag sind diese verfluchten Arschlecker von Adelswelpen, die er seine Freunde nennt, um ihn herum, trinken, singen und raufen und … und …« Isgrimnur grunzte angewidert. »Und die Turniere! Bei Uduns rotem Speer, in meiner Jugend war ich genauso wild auf ein Turnier wie alle anderen; aber unter dem Thron seines Vaters zerbröckelt das Erkynland zu Staub; die Länder unter dem Königsfrieden sind unruhig wie erschreckte Fohlen, und trotzdem nehmen die Festtage kein Ende! Und dann diese Bootsfahrten auf dem Kynslagh! Und die Gaukler und die

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