Der Drachenbeinthron
Hernystiri-Geschwätzes über Dichtkunst, mit dem er die Ohren der Damen verstopft, ist er im Kern hart wie Schildstahl – ein guter Verbündeter in Zeiten des Verrats.
»Da ist noch etwas.« Isgrimnur gab Eolair den Schlauch zurück und wischte sich den Mund ab. Der Graf nahm einen tiefen Zug und nickte dann mit dem Kopf.
»Heraus damit. Ich bin ganz Ohr – wie ein Circoille-Hase.«
»Der Tote, den der alte Morgenes im Kynswald fand«, erklärte Isgrimnur, »von einem Pfeil erschossen« – Eolair nickte wieder –, »war einer von meinen Männern: Bindesekk, aber als sie ihn endlich entdeckten, hätte ich ihn nicht wiedererkannt, wenn er nicht einen Knochenbruch im Gesicht gehabt hätte, den er sich vor langer Zeit in meinem Dienst zugezogen hatte. Natürlich habe ich nichts gesagt.«
»Einer von Euren Männern?« Eolair hob eine Braue. »Und was wollte er? Wisst Ihr es?«
Isgrimnur lachte, ein kurzer, bellender Laut. »Allerdings. Darum habe ich auch geschwiegen. Ich hatte ihn losgeschickt, als Skali von Kaldskryke seine Verwandten mitnahm und nach Norden aufbrach. Scharfnase hat an Elias’ Hof für meinen Geschmack zu viele neue Freunde gefunden, darum sandte ich Bindesekk mit einer Botschaft zu meinem Sohn Isorn. Solange Elias mich mit seinen lächerlichen Aufträgen hier festhält, diesen Theatervorstellungen vorgetäuschter Diplomatie, die angeblich so wichtig sein sollen – wenn sie das wirklich wären, warum vertraut man sie dann einem ungeschliffenen alten Kriegshund wie mir an? –, so lange wollte ich, dass Isorn ganz besonders auf der Hut ist. Ich traue Skali nicht mehr als einem ausgehungerten Wolf, und mein Sohn hat nach allem, was ich höre, schon genug Ärger zu Hause. Alle Nachrichten, die über die Frostmark hierher durchsickern, sind schlecht – tobende Stürme im Norden, unsichere Straßen, Dorfbewohner, die sich in den großen Hallen zusammendrängen müssen. Wir leben in unruhigen Zeiten, und Skali weiß das.«
»Glaubt Ihr denn, dass es Skali war, der Euren Mann umbrachte?« Eolair beugte sich vor und reichte Isgrimnur abermals den Schlauch.
»Das ist ungewiss.« Der Herzog legte den Kopf in den Nacken und tat erneut einen langen Zug. Die Muskeln in seinem dicken Hals pochten; ein dünner Metfaden troff auf das blaue Wams. »Was ichdamit meine: Es sieht zwar sehr danach aus, aber ich habe dennoch Zweifel.« Er rieb einen Augenblick gedankenverloren über den Fleck. »Denn selbst wenn er Bindesekk gestellt hätte, wäre es Hochverrat gewesen, ihn zu töten. So sehr er mich auch verachten mag, ist Skali doch mein Lehnsmann, und ich bin sein Lehnsherr.«
»Aber der Leichnam wurde versteckt.«
»Nicht sehr gut versteckt. Warum so nahe bei der Burg? Warum nicht abwarten, bis Bindesekk die Weldhelmberge erreichte – oder die Frostmarkstraße, sofern sie überhaupt passierbar war –, und ihn dann erledigen, wo man ihn nie finden würde? Außerdem sieht mir der Pfeil nicht nach Skali aus. Ich könnte mir vorstellen, dass er Bindesekk vor lauter Wut mit seiner großen Axt in Stücke hackt, aber ihn zu erschießen und dann in den Kynswald zu werfen? Irgendwie passt das nicht zu ihm.«
»Wer dann?«
Isgrimnur schüttelte den Kopf und spürte endlich den Met. »Das ist es, was mir Sorgen macht, Hernystirmann«, antwortete er nach einer Weile. »Ich weiß es einfach nicht. Es gehen eigenartige Dinge vor. Geschichten von Reisenden, Gerüchte in der Burg …«
Eolair trat zur Tür, entriegelte sie und schob sie auf, um frische Luft in den kleinen Raum zu lassen. »Wirklich, es sind seltsame Zeiten, Herzog«, sagte er und holte tief Atem. »Doch nun die vielleicht wichtigste Frage von allen: Wo um alles in dieser sonderbaren Welt steckt Prinz Josua?«
Simon nahm ein kleines Stückchen Feuerstein und ließ es durch die Luft sirren. Es beschrieb einen anmutigen Bogen durch die Morgenluft und landete dann mit einem dumpfen Knacken in einem entlaubten, in Tierform gestutzten Busch unten im Garten. Simon kroch an den Rand des Kapellendachs und nahm die Einschlagstelle wie ein erfahrener Katapultschütze zur Kenntnis, wobei er besonders auf das Beben der Hinterläufe des Hecken-Eichhörnchens achtete. Dann rollte er von der Dachrinne zurück und in den Schatten eines Schornsteins. Er genoss die kühle Festigkeit der Steine unter seinem Rückgrat. Von oben starrte das grelle Augeder Marris-Sonne herunter, die sich ihrem mittäglichen Scheitelpunkt näherte.
Es war ein Tag, an dem man am besten
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