Der Drachenbeinthron
ungeduldig.
»In der Öde der Frostmark hat man es gesehen, nachts, ein wundersames Ding: einen Wagen, einen schwarzen Wagen, von weißen Pferden gezogen –«
»Wie ungewöhnlich!«, spottete Guthwulf, aber Pryrates und Elias tauschten einen schnellen Blick. Dann hob der König eine Braue und schaute wieder zu dem Mann aus dem Westen hinüber.
»Fahrt fort«, gebot Elias.
»Die Leute, die es gesehen haben, sagen, er sei wenige Tage nach Allernarren zuerst erschienen. Sie erzählen, es liege ein Sarg auf dem Wagen und schwarze Mönche gingen hinterher.«
»Und welchem heidnischen Naturgeist schreiben die Bauern diese Erscheinung zu?« Elias lehnte sich langsam im Stuhl zurück, bis er den Hernystirmann über den Nasenrücken ansah.
»Sie sagen, mein König, es sei Eures Vaters Leichenwagen – verzeiht Majestät –, und solange das Land leide, werde er keinen Frieden finden in seinem Hügel.«
Nach einer Pause, in der das Schweigen drückend auf der Runde lag, erklärte der König, und seine Stimme war kaum lauter als das Zischen der Fackeln: »Nun, dann werden wir wohl dafür sorgen müssen, dass mein Vater seine wohlverdiente Ruhe bekommt, nicht wahr?«
Seht sie euch an, dachte der alte Strupp, als er sein verkrümmtes Bein und den müden Körper den Mittelgang des Thronsaals entlangschleppte. Seht sie nur an, wie sie sich da herumlümmeln und grinsen, als wären sie heidnische Thrithingshäuptlinge und keine ädonitischen Ritter von Erkynland.
Elias’ Höflinge johlten und schrien, als der Narr vorbeihinkte. Sie drehten die Köpfe nach ihm, als wäre er ein Naraxi-Affe an der Kette. Selbst der König und Graf Guthwulf, die Königliche Hand, beteiligten sich an den rohen Späßen. Elias thronte mit einem Bein über der Armlehne des Drachenbeinsitzes wie ein Bauerntölpel auf einem Tor. Nur Miriamel, die junge Königstochter, saß stumm und aufrecht da, das hübsche Gesicht feierlich und starr, die Schultern eingezogen, als erwarte sie jeden Augenblick einen Schlag. Ihr honigfarbenes Haar, das weder vom braunhaarigen Vater noch von der rabenlockigen Mutter stammte, hing zu beiden Seiten des Gesichtes wie ein Vorhang herunter.
Sie sieht aus, als wollte sie sich hinter ihrem Haar verstecken, dachte Strupp. Wie schändlich. Sie nennen sie dickköpfig und vorlaut, das sommersprossige Schätzchen, aber ich sehe nur Furcht in ihren Augen. Ich habe den Verdacht, dass sie etwas Besseres verdient als diese prahlerischen Wölfe, die jetzt durch unsere Burgen streifen, aber angeblich hat ihr Vater sie schon längst diesem versoffenen Angeber Fengbald versprochen.
Strupp kam nur langsam vorwärts. Hände, die ihn streicheln oder ihm einen leichten Klaps geben wollten, griffen von überall her nach ihm und versperrten ihm den Weg zum Thron. Es galt als glückverheißend, den Kopf eines Zwerges zu berühren. Strupp war freilich kein Zwerg, sondern nur alt, uralt und gebeugt. Die Höflinge amüsierten sich nur damit, ihn wie einen Zwerg zu behandeln.
Endlich stand Strupp vor Elias’ Thron. Die Augen des Königs waren rot gerändert, vom allzu vielen Trinken oder allzu wenig Schlafen – höchstwahrscheinlich von beidem. Elias sah mit trübem Blick auf den kleinen Mann hinunter. »Schau an, mein lieber Strupp«, sagte er, »du erweist uns die Ehre deiner Gesellschaft.« Der Narr bemerkte, dass die Knöpfe an der weißen Bluse des Königs offenstanden und die schönen Rehlederhandschuhe, die in seinem Gürtel steckten, einen Soßenfleck zeigten.
»Ja, Herr, ich bin gekommen.« Strupp versuchte eine Verbeugung, was mit dem steifen Bein schwierig war; die Edelleute und ihre Damen brachen in Heiterkeit aus.
»Bevor du uns unterhältst, ältester der Narren«, Elias schwangdas Bein von der Armlehne des Thrones herunter und schenkte dem Alten seinen herzlichsten Blick, »darf ich vielleicht eine kleine Gunst erbitten? Eine Frage, die ich dir schon lange stellen wollte?«
»Gewiss, mein König.«
»Dann sag mir, lieber Strupp, wie es kam, dass man dir einen Hundenamen gab.« In scheinbarer Ratlosigkeit hob Elias die Brauen und sah zuerst zu dem grinsenden Guthwulf hinüber, dann zu Miriamel, die den Blick abwandte. Die übrigen Höflinge lachten und tuschelten hinter vorgehaltener Hand.
»Niemand gab mir einen Hundenamen, Herr«, antwortete Strupp gelassen. »Ich selbst wählte ihn mir.«
»Was!«, rief Elias und schaute wieder den alten Mann an. »Ich habe gewiss nicht recht gehört.«
»Doch, Herr. Ich habe mir
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