Der Drachenbeinthron
selbst den Hundenamen gegeben! Euer edler Vater pflegte mich zu necken, weil ich ihm so treu war, immer mit ihm ging, nie von seiner Seite wich. Zum Scherz nannte er einen seiner Hunde ›Cruinh‹ – das war mein Taufname.« Der Alte drehte sich halb um, damit das Publikum ihn besser sehen konnte. »›Nun gut‹, sagte ich, ›wenn es Johans Wille ist, dass der Hund meinen Namen trägt, so will ich seinen annehmen.‹ Und seit dieser Zeit habe ich nie mehr auf einen anderen Namen als Strupp gehört, und so soll es bleiben.« Strupp gestattete sich ein winziges Lächeln. »Es mag sein, dass Euer verehrter Vater seinen Scherz danach ein wenig bereut hat.«
Die Antwort schien Elias nicht unbedingt zu gefallen, aber er lachte trotzdem laut auf und schlug sich aufs Knie. »Ein kecker Zwerg, meint Ihr nicht auch?«, fragte er und blickte in die Runde. Die anderen, die dort saßen, versuchten sich der Stimmung des Königs anzupassen und lachten höflich mit – alle außer Miriamel, die von ihrem hochlehnigen Stuhl auf Strupp hinunterblickte, mit einem Ausdruck im Gesicht, den der alte Narr nicht enträtseln konnte.
»Nun«, meinte Elias, »wäre ich nicht der gute König, der ich bin – wäre ich, sagen wir einmal, ein Heidenkönig wie Lluth von Hernystir –, dann würde ich dir vielleicht dein winziges Runzelköpfchenabhacken lassen, weil du so über meinen verstorbenen Vater sprichst. Aber natürlich bin ich kein solcher Tyrann.«
»Natürlich nicht, Majestät«, erwiderte Strupp.
»Nun denn, bist du gekommen, um uns etwas vorzusingen oder um Purzelbäume zu schlagen – wobei wir das Letztere nicht hoffen wollen, denn du scheinst uns zu gebrechlich für solche Possen … Komm, sag es uns.« Elias lehnte sich behaglich in seinem Thron zurück und klatschte in die Hände nach mehr Wein.
»Zum Singen, Majestät«, erklärte der Narr. Er nahm die Laute von der Schulter und begann die Wirbel zu drehen, um die Saiten zu stimmen. Ein junger Page eilte herbei und füllte den Becher des Königs. Strupp schaute an die Decke, wo vor den vom Regen bespritzten Oberlichtern die Banner der Ritter und Edlen von Osten Ard hingen. Der Staub war entfernt, das Spinnengeflecht zerrissen, aber Strupp kamen die bunten Farben der kleinen Wimpel falsch vor, zu grell – wie die geschminkte Haut einer Dirne, die ihre eigene Jugendzeit nachzuäffen versucht und damit auch das noch zerstört, was an echter Schönheit übrig geblieben ist. Als der aufgeregte Page auch Guthwulf, Fengbald und den anderen die Pokale neu gefüllt hatte, winkte Elias Strupp zu.
»Herr«, nickte der alte Narr, »ich will Euch von einem anderen guten König vorsingen; freilich war er ein unglücklicher und trauriger Herrscher.«
»Ich mag keine traurigen Lieder«, mischte sich Fengbald ein, der wie üblich stark angetrunken war.
Guthwulf neben ihm grinste höhnisch. »Pssst« Die Königliche Hand ermahnte ihren Kameraden mit dem Ellenbogen zu schweigen. »Wenn uns das Lied nicht gefällt, können wir den Zwerg hinterher hüpfen lassen.«
Strupp räusperte sich und griff in die Saiten. Mit dünner, wohlklingender Stimme sang er:
Wacholder war ein König einst,
uralt war er und schwach,
schneeweiß sein Bart vom Kinn zum Knie;
er saß im Throngemach.
Wacholder rief von seinem Thron:
»Bringt meine Söhne mir!
Die Zeit ist um, ich scheide bald,
ein andrer herrscht dann hier.«
Sie holten die zwei Prinzen her,
Hund, Falken, Jägerspieß;
der jüngere Prinz Stechpalm war,
der ältre Schierling hieß.
»Wir folgten, Vater, Eurem Ruf,
verließen unsre Jagd«,
sprach Schierling, »was begehrt Ihr, Herr?«
Der alte König sagt:
» Ich sterbe bald, ihr Söhne mein,
doch wenn im Grab ich lieg,
so will ich, dass ihr euch vertragt,
dass zwischen euch kein Krieg.«
»Ich glaube nicht, dass mir der Klang dieses Liedes gefällt«, knurrte Guthwulf, »es hat einen höhnischen Ton.« Elias hieß ihn schweigen. In seinen Augen lag ein düsterer Glanz, als er Strupp zum Weitersingen aufforderte.
»O Vater, was befürchtet Ihr?
Prinz Schierling hat das Recht.
Und würd ich mit ihm streiten drum,
ich wär ein Ritter schlecht.«
Zufrieden hört der Vater ihn
und schickt die Söhne fort
und dankte Ädons Gnade
fürs edle Prinzenwort.
Jedoch in Schierlings Herzen tief
– und König sollt er sein! –,
da weckten Stechpalms Worte
Gedanken bös und klein.
»So süß spricht Prinzenzunge nicht,
die Wahrheit sagen kann.«
Und Schierling denkt:
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