Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
reichte dem kleinen Mann den Krug. Das Gewicht ließ den anderen mitten im Refrain nach hinten überkippen, sodass er einen Schritt zurückstolperte und dann rücklings niederstürzte. Sein Hut flog davon – ja, es war wirklich Strupp. Simon konnte jetzt das runzlige Gesicht mit dem gespitzten Mund sehen, das sich an den Augen zusammenzuziehen begann, als wolle Strupp losplärren wie ein Säugling. Stattdessen fing er an, hilflos zu lachen, an die Wand gelehnt, den Krug zwischen den Knien. Seine beiden Gefährten schwankten unsicher zu ihm hinüber und hockten sich daneben. Alle in einer Reihe, so saßen sie da wie Elstern auf einem Zaun.
    Simon überlegte, ob er sich bemerkbar machen sollte; er kannteStrupp nur flüchtig, hatte sich aber mit Shem und Ruben immer gut vertragen. Nach kurzem Nachdenken beschloss er, es nicht zu tun. Es war sicher spaßiger, sie heimlich zu beobachten – vielleicht fiel ihm ein Streich ein, den er ihnen spielen konnte. Und so machte er es sich bequem, still und versteckt hoch oben auf dem düsteren Speicher.
    »Bei Sankt Muirfath und dem Erzengel«, sagte Strupp, nachdem er tief in den Krug geschaut hatte, »das habe ich nötig gehabt!« Er strich mit dem Zeigefinger über den Rand des Kruges und steckte dann den Finger in den Mund.
    Shem Pferdeknecht griff über den breiten Bauch des Schmiedes zu ihm hinüber und nahm den Krug an sich. Er tat einen Zug und wischte sich mit ledrigem Handrücken die Lippen.
    »Und wo willst du nun hin?«, fragte er den Narren.
    Strupp stieß einen Seufzer aus. Jäh schien alles Leben aus der kleinen Zechrunde gewichen zu sein. Bedrückt starrten die drei zu Boden.
    »Ich habe ein paar Verwandte – entfernte Verwandte – in Grenefod an der Flussmündung. Vielleicht gehe ich dorthin, obwohl sie kaum glücklich sein werden, einen weiteren Schnabel füttern zu müssen. Vielleicht reise ich aber auch nordwärts nach Naglimund.«
    »Aber Josua ist weg«, meinte Ruben und rülpste.
    »Aye, auf und davon«, bekräftigte Shem.
    Strupp schloss die Augen und stieß mit dem Hinterkopf gegen das rohe Holz der Pferdestalltür. »Aber noch halten Josuas Leute Naglimund und werden einen Mann, den Elias’ rohe Gesellen aus seiner Heimat vertrieben haben, freundlich aufnehmen – und jetzt wohl noch freundlicher, nachdem die Leute sagen, dass Elias seinen Bruder ermorden ließ.«
    »Aber manche sagen auch, dass Josua ein Verräter geworden ist«, warf Shem ein und rieb sich schläfrig das Kinn.
    »Pah!« Der kleine Narr spuckte aus. Auch Simon oben auf dem Heuboden empfand die Wärme des Frühlingsnachmittags, sein einschläferndes, lastendes Gewicht. Es verlieh dem Gespräch dort unten etwas Beiläufiges, Fernes – Mord und Verrat hörten sich an wie Namen von weit entfernten Orten.
    In der langen Pause, die sich anschloss, fühlte Simon seine Augenlider unerbittlich abwärtsschleichen.
    »Vielleicht war’s doch nicht so recht klug, Bruder Strupp …« – das war der alte Shem, hager und ausgedörrt wie etwas, das man in die Räucherkammer gehängt hat –, »… den König herauszufordern. Warum musstest du auch so ein aufreizendes Lied singen?«
    »Ha!« Strupp kratzte sich eifrig an der Nase. »Meine westlichen Ahnen, das waren echte Barden, nicht solche hinkenden alten Purzelbaumschläger wie ich. Die hätten ihm ein Lied vorgesungen, dass sich seine Ohren gekringelt hätten! Der Dichter Eoin-ec-Cluias soll einmal ein Zorneslied verfasst haben, das war so mächtig, dass alle goldenen Bienen aus dem Grianspog sich auf Häuptling Gormbhata niederließen und ihn zu Tode stachen … das nenne ich ein Lied!« Wieder lehnte der Narr den Kopf an die Stallwand. »Der König? Bei Gottes Zähnen, ich ertrage es nicht, ihn auch nur so zu nennen. Ich war von klein auf bei seinem seligen Vater – das war ein König, den man mit Recht so nennen konnte! Der hier ist nicht besser als ein Räuber … nicht halb der Mann, der sein … Vater Johan war …«
    Strupps Stimme schwankte schläfrig. Shem Pferdeknecht sank langsam der Kopf auf die Brust. Rubens Augen waren offen, aber es schien, als blicke er in die dunklen Lücken zwischen den Dachbalken. Neben ihm regte sich Strupp noch einmal.
    »Hab ich euch das erzählt?«, fragte der Alte unvermittelt, »hab ich euch vom Schwert des Königs erzählt? König Johans Schwert – Hellnagel? Mir hat er es gegeben, wisst ihr, und hat gesagt: ›Nur du, Strupp, kannst es meinem Sohn Elias weiterreichen! Nur du!‹« Auf der

Weitere Kostenlose Bücher