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Der Drachenwald

Der Drachenwald

Titel: Der Drachenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anu Stohner
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Kopf geflogen   – vielleicht sollte ich den in Zukunft ein bisschen fester anziehen, überlegte ich. Dann setzte ich den Helm auf und zog den Riemen an, dass ich fast keine Luft mehr kriegte. So musste alles bombensicher sitzen, und um das auszuprobieren, wackelte ich erst vorne an dem Stück, das ein bisschen übersteht, und dann klopfte ich mit |124| beiden Fäusten seitlich dagegen, da wo die Flammen draufgemalt sind. Vielleicht habt ihr das auch schon gemacht, seitlich gegen den Helm geklopft, meine ich, egal jetzt, ob Flammen drauf sind oder nicht. Ich glaube, das machen alle so, wenn sie probieren wollen, ob ihr Helm richtig sitzt.
    Schon während ich klopfte, war mir plötzlich klar, dass ich das hier und jetzt nicht hätte machen sollen. Warum, brauche ich euch wahrscheinlich nicht zu erklären. Es war echt eine Dödelei. Aber was dann passierte, darauf wärt ihr auch nicht gekommen, jede Wette.
    Plötzlich ertönte nämlich wieder das schreckliche Gebrüll, und so laut wie jetzt war es noch nie gewesen.
    »Hrrrrrghrrr   …!«, machte es schräg rechts von uns.
    »Hrrrrrghrrr   …!«, machte es schräg links.
    Wir waren alle wie vom Donner gerührt. Wenn jemand jetzt von irgendwoher auf die kleine Lichtung im Drachenwald geschaut hätte, dann wäre sie ihm wahrscheinlich vorgekommen wie ein Stück elektrische Eisenbahn. Ihr wisst schon: Alles soll echt aussehen und sieht nur wie eingefroren aus. So war es auf der Lichtung. Und das Gebrüll hörte nicht auf.
    |125| »Hrrrrrghrrr   …!«
    »Hrrrrrghrrr   …!«
    Und wisst ihr, was sich als Erstes bewegte? Oder wer? Ausgerechnet die Wilden Wölfe! Die waren fix und fertig, aber vielleicht gerade darum. Vielleicht muss man fix und fertig sein, damit man was komplett Verrücktes macht.
    »Hrrrrrghrrr   …!«, kam es von schräg rechts.
    »Hrrrrrghrrr   …!«, kam es von schräg links.
    Und die Wilden Wölfe rannten los und flitzten in den Wald, als gäbe es kein Morgen, wie mein Vater immer sagt, wenn einer was macht, von dem er ganz genau wissen muss, dass er’s noch bitter bereuen wird. Sie flitzten sogar genau dorthin, woher die zweite Drachenstimme kam. Und es war ihnen scheinbar egal, ob gleich der andere Drache, an dessen Schwanz sie unsichtbar festgebunden waren, hinter ihnen herkam und sie sich holte.
    »Hrrrrrghrrr   …!«, kam es von schräg rechts.
    »Hrrrrrghrrr   …!«, kam es von schräg links.
    Dann war es wieder totenstill im Drachenwald. Die Wilden Wölfe waren verschwunden, nur ihre Schwerter lagen noch da. Und wenn ein Drache hinter ihnen her war, war er unsichtbar wie ihre Fesseln.
    |126| Wir schauten einander an und wussten nicht, was wir sagen sollten. Alle außer Robert. Der klopfte mir vorne auf den Helm, dort, wo der Totenkopf draufgemalt ist, und sagte:
    »Hallo?!«
    Das »Hallo?!« hat er von meiner großen Schwester. Es ist die Abkürzung für: »Hallo, kleiner Dödel, wie wär’s zur Abwechslung mal mit Hirn-Einschalten?« Von meiner großen Schwester lass ich mir das nicht gefallen. Aber jetzt sagte ich lieber nichts.

|127| Das achtzehnte Kapitel,
in dem erst mal alle sprachlos sind (Sogar Robert!)
    Wir sagten alle nichts, als die Drachen verstummt und die Wilden Wölfe im Wald verschwunden waren. Wir standen nur da und schauten uns fragend an. Robert schaute, als wollte er fragen: Mann, Tim, bist du noch ganz dicht? Und er hatte ja recht. Die Wackerburger Freunde schauten, als wollten sie fragen: Und jetzt? Die Prinzessin und ihr tapferer Hubert schauten, als wollten sie fragen: Wo sind wir bloß hingeraten? Und ich schaute wahrscheinlich wie jemand, der die anderen gern gefragt hätte: Könnt ihr mir bitte noch mal verzeihen, auch wenn’s schwerfällt?
    Und da war noch eine Frage, die ich mir stellte, die man mir aber hoffentlich nicht ansah, nämlich ob ich mit meinem Geklopfe wirklich die Feuer speienden Drachen gerufen hatte. Ich weiß, dass es keine Drachen gibt. Heute jedenfalls. Aber wir waren in der Ritterzeit. Im Mittelalter. Und das Gebrüll hatte genau da angefangen, als ich geklopft hatte. Haargenau   …
    Wir müssen eine ganze Weile so dagestanden |128| haben, und am Ende war es Hubert, der zuerst die Sprache wiederfand.
    »Äh   … können wir euch ein paar Fragen stellen?«, sagte er, und ich weiß nicht, warum, aber für Robert und mich war seine Frage wie ein Weckruf. Oder doch, ich weiß es: Wenn wir ihm und der Prinzessin alle Fragen beantwortet hätten, die sie wahrscheinlich hatten,

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