Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
Erleichterung wäre vielleicht ein zu starkes Wort, also sage ich einfach Frieden . Bitte erheben Sie mit mir das Glas auf die Braut und den Bräutigam … auf Alice und Ray … auf ein Ganzes, das größer ist als die Summe seiner Teile.«
Alle erhoben ihr Glas, einschließlich Ray, der mit bebenden Lippen ein »Danke« hervorbrachte.
Ich fühlte einen Arm um meine Taille - Sylvie. Als die Bravorufe verebbten und die tablettbewaffneten Kellner ihre Runden wieder aufgenommen hatten, flüsterte sie mir ins Ohr: »Können Leo und ich dich allein sprechen? Vielleicht oben?«
Gleichzeitig zog Ray mich in Richtung der paar Quadratmeter Parkett, die zum Tanzboden erklärt worden waren.
»Ich will das noch schnell hinter mich bringen«, sagte ich zu Sylvie.
Meine Mutter hatte zwar das musikalische Duell gewonnen und eine Geige, eine Querflöte und eine Harfe engagiert, aber Ray hatte noch einen Discjockey hineingezwängt, der den obligatorischen ersten Tanz, den Vater-Tochter-Tanz, einen Mutter-Vater-Tanz und diverse Modetänze auflegte, bei denen schließlich alle irgendwie in Reihe standen.
Die Gäste applaudierten, als die Righteous-Brothers-CD »Unchained Melody« zu Gehör sowie Braut und Bräutigam auf die Tanzfläche brachte. Man erwartete von uns, dass wir lächelten und Eheglück absonderten. Zur Not tat es auch ein Schwätzchen. Ich fragte: »Wie war die Fahrt durch die Monadnock-Gegend?«
»Haben wir danach nicht mehr telefoniert?«
»Der letzte Anruf kam aus Concord.«
»Da hab ich erst wieder ein Netz gekriegt. Das ist die Hauptstadt. Die Leute, die da wohnen, zahlen wahrscheinlich irre Roaming-Gebühren.«
»Zum Glück konnte ich deinen Weg anhand der Abbuchungen online verfolgen. Zumindest wusste ich, dass du in Motels übernachtet und drei Mahlzeiten am Tag zu dir genommen hast.«
Ray drehte uns am Platz und ließ uns in die Knie gehen. »Bist du sauer?«
»Ich habe dir Nachrichten hinterlassen. Ich hatte gehofft, dass wir das vor dem heutigen Tag besprechen können.«
»Ich bin ein bisschen abergläubisch«, sagte er. »Mary und ich haben die Woche vor der Hochzeit jeden Tag gemeinsam zu Abend gegessen. Muss ich noch mehr sagen? Übrigens, die Blume in deinem Haar sieht toll aus. Ich werd mir ein Stück abknabbern.«
»Die ist giftig.«
Trotzdem landete ein Kuss in ungefährer Nähe der Blume. »Wo ist denn dein alter Herr? Der soll mich doch abklatschen?«
»Hast du meine Nachricht über die Arbeit gekriegt?«
»Was war das noch mal?«
»Ich bin nicht mehr auf Bewährung.«
»Braves Mädchen.«
Es war kein Vorsatz, aber sobald ich das Thema angeschnitten hatte, erfasste ich sein Potenzial als Bewährungsprobe.
»Weiter«, sagte er, die Stimme voller Vertrauen. »Ich halte die Luft an.«
Ich sagte einfach. »Ich bin draußen. Auf dem Arsch gelandet. Frei und ungebunden.« Ich schnippte mit den Fingern, die er an seine Brust hielt. »Einfach so: ›Thrift? Tut mir Leid. Aber es funktioniert nicht. Bis heute Mitternacht müssen Sie Ihren Spind ausgeräumt haben.‹«
Langsam, fachmännisch sagte er: »Liebling. Das muss ja schrecklich für dich sein. Wie geht’s dir denn? Warum hast du mir denn nichts gesagt?«
»Hab ich ja versucht. Aber du warst nicht erreichbar.«
»Aber deinen Job hast du doch noch, oder? Du bist halt nicht versetzt worden. So, wie wenn du sitzen geblieben wärst, oder?«
»Nein. So, wie wenn ich hinausgeflogen wäre.«
»Aber nur vom Praktikum als Chirurgin, oder?«
»Von allem. Ich bin erledigt.«
»Du machst Witze, das weiß ich. Ich weiß, dass du noch immer Ärztin bist. Das geht doch nicht verloren.«
»In meinem Fall leider schon.«
Sein Tanzen verlangsamte sich beinahe zum Stehen. »Soll das heißen, dass dir die ganzen Krankenhäuser in Boston nix nützen? Du kannst nicht deine Professoren in Harvard anrufen und sie bitten, ein bisschen für dich herumzutelefonieren?«
Ich zuckte die Achseln. »Wenn ich wollte, könnte ich.«
»Du wirst wollen, glaub mir.«
Ich seufzte. »Es hat sich schon herumgesprochen. Achtung: Jede Bewerbung mit dem Namen Alice Thrift drauf sofort in den Müll.«
»Du könntest dich als Alice Russo bewerben.« Seine Stimme wurde fröhlicher. »Oder du könntest irgendwo hinziehen, wo sie normalerweise keine Harvard-Absolventen kriegen.«
»Das müsste schon sehr weit weg sein.«
»Man muss tun, was man tun muss.«
Bis zu diesem Moment hatte ich fest angenommen, dass eine notorische Nichtlügnerin wie ich am Ende des
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