Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
hatte.
»Nicht nervös«, stellte Leo klar. »Wütend.«
»Das sind seine Cousins«, sagte ich. »Es könnte ein Familienstreit gewesen sein, der gar nichts mit der Hochzeit zu tun hat.«
»Hast du die Freundinnen der Cousins gesehen?«, fragte mich Sylvie. »Glänzendes türkises Kleid die eine? Stacheldraht-Tätowierung die andere?« Ihre Finger umfassten einen ihrer eigenen Bizepse.
»Nur im Vorbeigehen. Auf dem Weg aus der Kirche.«
Sie berührte mich an der Schulter. »Gehen wir raus«, sagte sie.
Wir gingen über den mit Schieferplatten ausgelegten Weg in den hinteren Garten, in das leere Zelt, dorthin, wo ich mit Ray hätte sitzen sollen. »Ihr wisst mehr, als ihr mir sagt.«
Leo zuckte die Achseln. Er fischte sein Olivenstäbchen heraus und leerte sein Glas auf einen Zug.
»Ich hörte den Namen Mary«, sagte Sylvie.
Ich wiederholte: »Das sind seine Cousins. Ist doch klar, dass der Name Mary bei seiner zweiten Hochzeit fallen würde. Ich bin sicher, dass sie auch bei der ersten Trauzeugen waren.«
»Ich konnte nicht anders«, gestand Sylvie. »Ich spazierte hinüber und tat so, als wolle ich mich unters Volk mischen. Leo habe ich mitgeschleppt. Ich streckte der, die sie Mary genannt haben, die Hand entgegen und sagte: ›Wir kennen hier keine Menschenseele. Ich bin Sylvie, und das ist Leo.‹ Sie gab mir die Hand, ganz schlapp, und kuckte blöd. Nannte keinen Namen. ›Und Sie sind?‹, fragte ich. Einer der Cousins sagte: ›Das ist Donna. Sie ist mit mir da.‹ Worauf ich natürlich eine Bemerkung über den nicht gerade kleinen Diamanten an ihrem linken Ringfinger machen musste. ›Schöner Ring, Donna. Sind Sie beide verlobt?‹ Blitzartig verschwand ihre Linke hinter ihrem Rücken. Ray nuschelte etwas von einem toten früheren Verlobten daher.«
»Verstehst Du, worauf wir damit hinauswollen?«, fragte mich Leo.
»Nicht ganz.«
»Eine Epidemie vorzeitiger Witwenschaft?«, sagte Sylvie. »Eine Frau namens Mary, die deinen nur sporadisch an -, wenn nicht gänzlich ab wesenden Bräutigam eine Lügengeschichte nach der anderen erfinden lässt?«
»Und dann in der Kirche haben wir sie noch mal gesehen«, erzählte Leo. »Der Ring war futsch. Den hat sie wahrscheinlich in der Handtasche verschwinden lassen.«
»Mir ist nicht klar, was das alles heißen soll. Glaubt ihr, das ist Mary, die tote erste Frau?«
»Oder untote«, meinte Leo.
»Oder zukünftige«, ergänzte Sylvie.
Ich schüttelte den Kopf. »Da muss es noch mehr geben, was ihr mir nicht sagt. Ihr würdet diese Granate nicht in meine Hochzeitsfeier werfen, wenn ihr nur Indizien hättet.«
Leo zuckte die Schultern.
»Was noch?«, fragte ich.
Beide wanden sich. Nach einer Weile sagte Sylvie mit ausdrucksloser, kaum hörbarer Stimme: »Ich hab mir ihren Ausweis zeigen lassen.«
»Was hast du?«
»Mir ihren Ausweis zeigen lassen. Ganz unauffällig. Ein wirklich gewissenhafter Barmann darf an Minderjährige keinen Alkohol ausschenken, auch nicht bei einer Privatfeier.«
»Du bist kein Barmann, und sie ist nicht minderjährig.«
»Aber ich war eine Dame an der Bar, und ein Gewissen hab ich auch. Ich sah es als Bürgerpflicht an. Sie hat sich einen Grüner-Apfel-Martini bestellt - genau wie Ray, ist mir aufgefallen -, und da musste ich einfach zu dem Barmann sagen: ›Tut mir Leid, aber ich beschäftige mich gerade sehr intensiv mit Hepatologie, und es regt mich furchtbar auf, wenn ich sehe, dass Alkohol an Minderjährige ausgeschenkt wird.‹« Sie hielt inne.
»Hat er ihren Ausweis verlangt?«
»Er hatte keine Wahl.«
»Und sie hat ihn hergezeigt?«
»Was konnte sie tun? Entweder herzeigen oder einen Aufstand machen. Außerdem hatte sie ja keine Ahnung, dass ihr Name irgendjemandem bei einer Hochzeit in Princeton, New Jersey was sagen würde. Und sie wollte auf ihren kleinen Triumph und das liebenswürdige ›Leck mich‹ nicht verzichten, als sich herausstellte, dass sie dreißig war.«
»Hast du den Ausweis mit eigenen Augen gesehen?«
»Natürlich! Der Barmann hat ihn mir gezeigt.«
»Aus Bürgerpflicht«, sagte Leo.
»Und der Name dieser Dreißigjährigen?«
Sylvie wechselte erst einen Blick mit Leo.
»Nicht Donna«, sagte er.
Nach einer langen Pause sagte ich: »Sieht so aus, als hätte er zumindest stellenweise die Wahrheit gesagt.«
»Trotzdem könnte es auch noch eine plausible Erklärung dafür geben«, meinte Leo.
»Nenn uns eine«, sagte Sylvie.
»Wäre es für einen Mann der Wissenschaft zulässig,
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