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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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meiner Billigung seines momentanen Aussehens.
    In dem Zeitungsartikel las sich das dann so: »Da war etwas in ihrer Stimme. Nichts, was nicht mit dem Arzt-Patient-Verhältnis zu vereinbaren gewesen wäre, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, als wolle sie sagen: ›Nein, lassen Sie alles so, wie es ist‹, um dieses Verhältnis zu beenden und auf eine persönlichere Ebene zu wechseln.«
    Wenn man zwischen den Zeilen liest und sich das Endergebnis vor Augen hält, könnte man auf die Idee kommen, dass bei diesem Beratungsgespräch der Funke übergesprungen sei. Aber ich war keine dieser attraktiven Ärztinnen mit schick um den Hals drapiertem Stethoskop und roter Seidenbluse unter dem weißen Kittel. Ich war eine verzagte Ärztin im Praktikum, bestenfalls professionell, aber alles andere als hübsch, und hoffte, nach meiner Assistenzzeit und Approbation als Krankenhausärztin nur mehr edlen Zwecken zu dienen - Weichteilgewebe mittelloser Patienten zu rekonstruieren, ihre Geburtsfehler, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, Schädelfehlbildungen, Verbrennungen, amputierten Brüste zu korrigieren, ihr zerfetztes Fleisch in der Notaufnahme so zusammenzunähen, dass keine Narbe sie je dazu zwänge, ihre verheerenden Unfälle wieder und wieder zu durchleben. Die Nasenkorrekturen, Fettabsaugungen, Gesichts-, Lid- und Bauchstraffungen, die Brustvergrößerungen und all die anderen kosmetischen Eingriffe, durch die halbwegs ansehnliche Menschen zu Schönheiten wurden, würde ich meinen weniger idealistischen und wohlhabenderen Kollegen überlassen.
    Ray Russo hätte jemanden konsultieren sollen, der sich als Schönheitschirurg in eleganten Räumen in der City niederlassen wollte. Ich wünschte ihm alles Gute und schickte ihn mit einem vierfarbigen Prospekt nach Hause, der die grausigen Details der Rhinoplastik veranschaulichte.
    Warum ich dann ein halbes Jahr später seinen Anruf entgegengenommen habe? Weil ich mich nicht mehr an ihn erinnerte. Er nannte den Namen meines Chefarztes, und ich dachte, er wäre ein Freund dieser illustren Familie - als habe er geahnt, dass ich mir Sorgen um Ansehen und Fortkommen in der Abteilung machte und mich fragte, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Natürlich fasse ich hier aus dramaturgischen Gründen zusammen. Warum sich mit Einzelheiten über unsere Vorgeschichte, unsere Gründe, unsere schönen Stunden aufhalten, wo ich doch nur zu bald die rosa Brille lüften muss? Ich könnte noch hinzufügen, dass ich eine Mutter habe, die sich Sorgen um mich macht und deren Motto für mich lautet: »Triff dich doch auf einen Kaffee mit ihm. Du musst ihn ja nicht gleich heiraten«. Aber ich mache ihr keine Vorwürfe. Worum es hier geht, ist die Schwachstelle in meinem eigenen Charakter - Wunschdenken - und einen Dreitagemann. Einen Ehemann mit kurzer Garantiezeit und langem Sündenregister.
    Sollte aus meiner Stimme Verbitterung klingen, ist das durchaus nicht beabsichtigt. Die Kolumnisten der NYT sollten ihre Brautpaare vielleicht ein Jahr nach der Hochzeit noch mal besuchen. Oder fünf Jahre danach. Oder zehn. Das würde mir Spaß machen: an einem Sonntagmorgen die - um einige Ergänzungen erweiterten - Heiratsanzeigen zu studieren. Ich könnte mir zum Beispiel verschiedene Stempel vorstellen für: REDEN NICHT MEHR MITEINANDER. GESCHIEDEN. GETRENNT. ANNULLIERT. BETRÜGT IHN MIT DEM SCHWIMMBADTECHNIKER. KRIEGT 5 MONATE SPÄTER EIN KIND. HAT SICH ALS HOMOSEXUELLE/R GEOUTET. Was es eben so an interessanten Entwicklungen gibt, die die Wahrheit über Braut und Bräutigam an den Tag bringen. Bei Ray und mir kämen gleich mehrere Stempel in Frage, wie in einem abgelaufenen Pass: HAT DIE FLITTERWOCHEN NICHT ÜBERDAUERT ODER HÄTTE ES BESSER WISSEN MÜSSEN. Oder, quer über seine hinterhältige Stirn, direkt über diesem scheußlichen Zinken, kurz und treffend: LÜGNER.

2
    DIE ERSTE VERABREDUNG (RÜCKBLICKEND BETRACHTET)
    Am Anfang von Raymond Russos Image- und Nasenkorrektur stand ein einmaliger Glücksfall: Bei einem von Zahnärzten gesponserten Gewinnspiel gewann er eine Gratis-Zahnaufhellung. Das erklärte, warum er so bereitwillig lächelte und seinen Kaffee mit einem Strohhalm trank, als wir uns (rückblickend betrachtet) zum ersten Mal verabredeten. Wir saßen nebeneinander auf zwei Hockern in einem Lokal im Eingangsbereich meines Krankenhauses. Unsere Konservation beschränkte sich auf meinen Doktortitel, der bei ihm beinahe so etwas wie Ehrfurcht hervorrief, allerdings eher in der saloppen

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