Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
George.« Er kicherte, das am wenigsten überzeugende Geräusch, das je von einem Satelliten übertragen wurde. »Ich kann eigentlich noch nicht mal Freundin sagen, weil Georgie mir sonst an die Gurgel springt. Das ist das zweite Mal, dass sie sich treffen.«
»Bist du eigentlich ein pathologischer Lügner?«, fragte ich.
»Warum fragst du mich das dauernd?«
»Sind wir verheiratet?«
»Vollkommen.«
»Rechtmäßig?«
»Natürlich rechtmäßig. Du warst doch beide Male dabei!«
Sylvie sagte: »Frag ihn, ob er vorher schon verheiratet war.«
»Frag ihn, ob er ein Bigamist ist«, sagte mein Vater.
»Vielleicht wollte er sie ja umbringen lassen«, meinte Sylvie. »Auch das hat’s schon gegeben.«
»Alice?«, sagte Ray gerade. »Bist du noch da, Schnuckelchen? Würde es was nützen, wenn ich mit deinem Vater spreche?«
»Was wolltest du denn?«
»Das Ganze klarstellen. Wir bringen die Mädels nur noch zum Bus, dann kommen wir sofort wieder zurück.«
»Nein, ich meinte, was wolltest du von mir? Von Anfang an?«
»Die Verbindung wird schlecht«, sagte Ray. »Können wir das nicht besprechen, wenn ich wieder da bin?«
»Komm ja nicht hierher zurück«, sagte ich.
»Ich besorge mir eine einstweilige Verfügung«, schrie mein Vater.
»Leo droht mit schwerer Körperverletzung«, fügte ich hinzu. »Er war auf einer ziemlich harten High School in Brighton. Da haben sich die Kids gegenseitig den Schädel eingeschlagen.«
»Welche Gemeinde?«, fragte Ray leutselig.
»Dinner!«, flötete meine Mutter, zuerst von einem der Fenster, dann, mit besorgtem Gesicht, von der hinteren Veranda.
»Alice? Doc -«, kam es aus dem Handy, als ich es Sylvie zurückgab.
»Auf Wiedersehen, Arschloch«, knurrte sie.
»Bert?«, rief meine Mutter. »Was ist los?«
»Geh schon rein, Dad«, sagte ich. »Das Essen wird kalt.«
»Das soll ja auch kalt sein.«
»Erzähl Mom, was los ist. Erzähl’s allen. Damit machst du bestimmt eine Menge Leute glücklich.«
»Das ist ja wie in der Sauna hier draußen«, befand Sylvie. »Du kommst auch mit rein. Wir werden schon einen Tisch in irgendeinem versteckten Winkel finden.«
»Wir tanzen«, sagte Leo.
Ich verfolgte, wie das Gesicht meiner Mutter langsam verfiel: Gastgebernekrose. Und wie sich hinter ihr die Schlange am Büffet bildete.
Die Musiker machten Pause und kamen mit voll beladenen Tellern heraus. Donner grollte, aber der Regen ließ auf sich warten. Jemand zauberte eine Zigarette hervor, und ich rauchte sie.
31
ALICE THRIFT, WG
Die New York Times hielt die Druckmaschinen wegen so etwas Trivialem wie einem entlaufenen Bräutigam natürlich nicht an. Das Ergebnis war, dass monatelang Geschenke und Glückwünsche bei mir eintrafen. Alles, was Ray nicht zu Geld gemacht hatte, schickte ich wieder zurück. Meine Dankesnote hatte etwas von einem Serienbrief: So gut ich (Euer)Ihr/e/n wunderschöne/n/s (Suppenterrine/Weinkaraffe/Druckkochtopf /Krocket-Set) hätte gebrauchen können, muss ich sie/ ihn/es doch zurückschicken, weil meine Ehe mit Ray sich als Irrtum erwiesen hat. Es ist schwer zu erklären, aber meine Eltern übernehmen das gerne. Vielen Dank für Eure/Ihre Aufmerksamkeit. Ich hoffe, Ihr/Sie haben die Rechnung aufbewahrt. Herzlichst, Alice
Wie sich herausstellte, hatte Ray kein Gesetz des Staates Massachusetts verletzt. Lügen war nicht strafbar, insbesondere, wenn die Belogene eine angeblich erwachsene Frau war, die aus freien Stücken geheiratet und ihre Bankkarte mit ausdrücklichen Anweisungen zum Abheben freiwillig zur Verfügung gestellt hatte. Ich konsultierte einen Anwalt, der sich meine Leidensgeschichte anhörte und mir, in aller Behutsamkeit, riet, mit meinem miserablen Urteilsvermögen und meinen blinden Flecken in Sachen Liebe doch lieber eine andere Art von Berater aufzusuchen.
Zu Beginn hatte ich noch die Hoffnung, Ray sei bereits verheiratet und noch nicht geschieden gewesen, was die Zeremonie auf dem Standesamt ungesetzlich gemacht hätte. Mein Vater engagierte ohne mein Einverständnis einen Privatdetektiv. Doch das Einzige, was der aufdeckte, war, dass Ray in all seinen fünfundvierzig Jahren nichts Schlimmeres gewesen war als ein Serienverlobter. Die Wahrheit sah so aus: Wir waren rechtmäßig verheiratet. Die ganze Zeit, die er mich umwarb und heiratete, lebte er mit Mary Ciccarelli zusammen. Der Diamant an Marys Finger stammte von ihm. Er hatte ihn sich gegen eine Anzahlung reservieren lassen und schließlich abbezahlt. Es gab keinen Hund.
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