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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. F. Dam
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der, als ich in groben Zügen berichte, mit schütterem, weißgrauem Vollbart und kurzgeschorenem Kopf neben mir her auf das Haus zugeht. Und ein paar der eher kathartischen Stunden meines Lebens.
    Â 
    Â»Erzähl mir von Schmithausen«, sage ich.
    Wir haben uns im Wohnzimmer niedergelassen. Mein Vater trägt schwarzen Rollkragenpulli und Cordhose. Die Bücherwand ragt in seinem Rücken auf, mittendrin der braunschwarze Sekretär mit der alten, seit siebzig Jahren nicht mehr benutzten und mit einem Baumwolltuch bedeckten Schreibmaschine meines Großvaters.
    Â»Xaver? Hat er mit Maettgen zu tun? Zusammenarbeit?«
    Ich nicke.
    Â»Botanik und Zellbiologie. Die Kombination klingt vielversprechend. Riecht irgendwie nach Geld, wenn ich mich nicht irre.«
    Â»Schieß los.«
    Â»Geduld, mein Lieber, Geduld. Wir kennen uns ja seit, ich weiß nicht, vierzig Jahren? Schmithausen ist ein ehrenwerter Mann, der einmal geglaubt hat, die Botanik wäre die Königsstraße zu Weltruhm.« Er lacht auf. »Da mag der liebe Xaver sich getäuscht haben. Aber er, er hat es tatsächlich geschafft, selbst als Botaniker. Hat ein paar Jahre in Peru verbracht, ein paar in Vietnam, dann Südchina und weiß der Himmel wo noch. Ein liebenswerter Köter, der seinen Knochen niemals loslassen wird. Und wenn man ein bisschen mit der Industrie – Pharma natürlich – zusammenarbeitet, kann man selbst von dieser Wissenschaft anständig leben. Xaver ist auf die Ethnobotanik spezialisiert. Das liegt ja auch im Nahbereich der Pharmazie. In der Ethnobotanik geht es um die Anwendung von Pflanzen in verschiedenen Kulturen, meist zu medizinischen Zwecken. Soviel ich weiß, hat Xaver große Erfolge in der Diabetesforschung. Altbekannte Pflanzenspezies, meist taxonomiert, die seit Jahrhunderten von Eingeborenen oder auch von alten Kulturen wie unserer indischen für Diabetes mellitus eingesetzt worden sind, also mit hypoglykämischer oder anti-hypoglykämischer Wirkung. Ich glaube, da geht es um Eugenia jambolana , diese Pflaumenart aus Madagaskar, um die Mucuna-pruriens -Bohne, um Ocimum sanctum , das ist das berühmte Tulsi-Basilikum, und um Tinospora cordifolia , ein weiteres indisches Wunderkraut. Auch über die faszinierende Schlangenwurz, Rauvolfia serpentina , hat Xaver gearbeitet. Wirkt Wunder gegen Bluthochdruck. Habe es genommen, und wie du siehst, habe ich mich einmal mit diesen Dingen befasst.«
    Â»Und das ist alles ?«, sage ich. Ich zeige keinerlei Respekt vor all den Errungenschaften.
    Er presst die Lippen zusammen, es sieht mürrisch aus, dazu wackelt er mit dem Kopf. Die kleinen braunen Augen meines Vaters, der schmale, sich beim Sprechen spitzende Mund und die große Nase, die sich wie ein Ausrufezeichen hinab auf die Lippen zieht, sie alle treten der Welt ohnehin schon mit Widerwillen entgegen. Widerwillen, der nicht Schwäche entspringt, sondern dem Wissen, die Menschen vollkommen durchschaut zu haben. Und dann erfüllen alle auch noch seine schlimmsten Erwartungen.
    Â»Schmithausen hat die Linnésche Taxonomie entscheidend modifiziert«, sagt er jetzt ruhig, denn er ist sich seines Triumphes am Ende sicher. »Er hat sie neuen Funden – aus Asien und Südamerika vorzugsweise – angepasst. Also die Art, wie man Pflanzen beschreibt und in Kategorien ordnet, damit sie auch wiedererkannt werden können. Und daher wird man möglicherweise einmal nicht mehr vom Linnéschen System der Pflanzenkategorisierung sprechen, sondern vom Schmithausen-Linnéschen System.« Er macht eine Pause; er ist jetzt feierlich geworden und betont jedes Wort. »Schmithausen ist ein Mann, dessen Namen du einmal in den Lehrbüchern deiner Kinder lesen wirst – na ja, falls …«
    Diesen letzten großen Hieb stecke ich einfach weg. Er lehnt sich zufrieden zurück. Und ich weiß, was er jetzt gleich denken wird.
    Â»Dein Freund muss etwas entdeckt haben«, sagt er. »Und deshalb ist dieser Maettgen auf ihn aufmerksam geworden. Christian Fust ist ja mit Sicherheit kein Unbekannter auf seinem Gebiet.«
    Das weiß er ganz genau, doch sagt er es, um Schlag Nummer zwei anzubringen. Denn der eigene Sohn, ja, man stelle sich das tausendmal vor, er hat keine solche Laufbahn im Sinn, er engagiert sich mit GeoWatch zwar irgendwie gegen irgendetwas , hat aber weder einen Wetterdienst gegründet, der ein Schweinegeld abwirft, noch managt

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