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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. F. Dam
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einer nicht zu übersehenden Ankündigung wird unser Horst Maettgen abermals die wissenschaftliche Eröffnungsrede zu einem Kongress von Aroga halten. Morgen Abend. Und diesmal in Indien, wohin er, ich wette, gemeinsam mit Christian reist. Wir werden in Kalonagar alle eine hübsche Versammlung abgeben.
    Ich schreibe die versprochene Nachricht an Sophia.
    Ich muss hier weg. Ich sehe nach Gabriela, sie schläft inzwischen. Schon am ersten Abend, vor zwei Jahren in Hamburg, hat Gabriela mir eröffnet, Liebe sei für sie keine Option . Sie hatte damals eine kurze, unerfreuliche Ehe hinter sich. Also optierten wir für Sex und Freundschaft mit realistischem Ablaufdatum. Was mir sehr entgegenkommt. Es gibt Leute, die denken, eine solche Haltung entspringe der Angst. Dabei ist sie Weisheit. Nur einmal bin ich gewankt, wohl nur einmal, in diesem unergründlichen New York. Liebe ist doch bloß ein Mythos, welcher der Menschheit über all diese dunklen Zeitalter geholfen hat.
    Verzweiflung aber erfasst mich jetzt. Wie ein kopfloses Huhn laufe ich durch Gabrielas Wohnung; ich berühre Gegenstände, als müsste ich mich von ihnen verabschieden. Gabriela, Maggie, Sunita. Vielleicht ist das Universum ja nichts als ein minus zweihundertdreiundsiebzig Grad kaltes Jammertal aus Leere und subatomaren Teilchen, die froh sind, im grenzenlosen Nichts ein anderes Teilchen zu finden. Auf das sie einen Moment lang sinnlos prallen können.
    Â 
    Nach dieser elenden halben Stunde fahre ich in meine Wohnung. Ich habe keine Angst mehr davor, dort aufzukreuzen.
    In meiner Wohnung ist alles in Ordnung. Es gibt keine Veränderung, kein Gefühl von Gefahr, es hat wohl kein weiterer Einbruch stattgefunden.
    Das einzige ganz andere, das bin ich, und dies aus einer Vielzahl von Gründen. Mein Leben hat auch an innerer Geschwindigkeit ziemlich zugelegt. Und einer dieser Gründe – das ist an diesem Abend ein einundzwanzig mal elf Zentimeter großer, sehr flacher, weißer Gegenstand. Ein überkommenes Kommunikationsmittel, ein Brief.
    Er liegt in meinem Postfach und ist auf einer Schreibmaschine getippt. Auf einem Gerät, wie es heute nur noch Schreiber auf indischen Straßen und in den Bazaren verwenden. Das benutzte Papier ist an der Seite leicht angegilbt und schwer. Dinge aus der Vergangenheit stürmen auf mich ein, als ich den Brief lese und dabei die Treppe in die Wohnung hinaufsteige. Abfolgen von Bildern ziehen heran – vielleicht aus meiner Kindheit, vielleicht Geschichten, die mein Vater erzählt hat, vielleicht auch einfach nur Erinnerungen an Bücher, die ich gelesen habe, und die Bilder, die sie in mir erzeugt haben.
    Diesmal hat Iskander mich voll erwischt.
    Â 
    Iskander Mahan
    Akkad Lane 323
    Chandranagar
    Â 
    An
    Dr. Bernard Rai
    Veitlissengasse 7d
    A-1130 Wien
    Â 
    Ich weiß, Dr. Rai, Sie sind meiner Briefe müde. Ich kann Sie nur um Geduld bitten und wähle die alte Briefform. Mit den Fährnissen des Großen Netzozeans und seiner Nachrichtensysteme nimmt es dieser alte Odysseus hier nicht mehr auf. (Weshalb meine erste Nachricht an Sie, wie ich feststellen musste, auch unvollständig war.)
    Doch gibt es ein fast vergessenes historisches Gebiet, auf das ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte: den Christusorden – und seine Mitglieder.
    Der Ordem de Cavalaria de Nosso Senhor Jesu Cristo war, wie sein Name sagt, ein Ritterorden, der im Jahre 1319 von König Dionysius von Portugal und dem Tempelritter João Lourenço gegründet wurde. Sein Besitz ist der Besitz der in Portugal offiziell bloß aufgelösten Templer (während man sie im übrigen Europa tötete und verbot), die Ordensritter sind identisch mit den Tempelrittern. Der Christusorden ist die einzig existierende Fortsetzung des Templerordens, bestätigt von Papst Johannes XXII. und mit großzügigen päpstlichen Privilegien ausgestattet!
    Und jetzt raten Sie, wer einer der wichtigsten Großmeister des Christusordens war: Heinrich der Seefahrer! Sie wissen bestimmt, von wem ich spreche. Er, der Ahnherr des europäischen Aufbruchs, die Quelle unserer Vorherrschaft!
    Und, ja, Sie liegen richtig, auch Bartolomeu Dias, der erste Umfahrer des afrikanischen Kaps, Vasco da Gama, der den Seeweg nach Indien entdeckt, Pedro Cabral, der Entdecker Brasiliens, und sogar der geheimnisvolle Nürnberger Martin Behaim, der Erbauer des ersten Globus, sie alle waren Teil dieser

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