Der dritte Berg
illustren Gesellschaft. Sie alle waren Templer und Christusritter. Sämtliche Entdecker! Es war nichts weniger als eine Loge, die das Unmögliche plante und vollbrachte! Man könnte, würde man es nicht gutheiÃen, würde man nicht frohlocken, wahnsinnig werden!
Heinrichs Name lautete eigentlich Dom Henrique de Avis . Dom Henrique allein ist die Quelle (hatte ich das schon gesagt?), die Linse, von der Europa in die Welt hinausstrahlt, er, der GroÃmeister des Christusordens. Ohne ihn ist die heutige Weltordnung undenkbar.
Heinrich war dabei, als Portugal im Jahre 1415 mit zweihundert Schiffen die Stadt Ceuta in Marokko erobert. Er fasst dort den Plan, die westafrikanischen Küstengegenden zu erkunden. Nach dem ersten Ziel, das Heinrich erreicht, dem Cabo da Não, wird das Cap Bojador umschifft, und schlieÃlich erreicht man den Rio de Oro, kommt sogar in den Senegal, wo man endlich »mit dem Land der Neger« in Berührung kommt. Doch will Henrique viel weiter, er will nichts weniger als nach Indien! Er will die jahrhundertealte, so gut wie lückenlose muslimische Blockade des Weges nach Indien umgehen. Es war ein strategisches Unternehmen. Das gröÃte seit Alexander!
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Doch worum ging es Heinrich und den Templern in Wahrheit? Wohl nicht um ein paar Morgen Land oder um Säcke voll Pfeffer.
So viel nur sei an dieser Stelle gesagt: Der Grund war das alchemistische GROSSE WERK. Es wird auch das mysterium coniunctionis genannt, die Vereinigung von Sonne und Mond â von West und Ost! Und die Früchte dieser Vereinigung.
Denn die alten Eingeweihten, sie irrten sich. Man muss die Dinge etwas bodenständiger sehen. Das WERK ist eine geschichtliche Bewegung, keine obskurantistische Alchemie.
Und es nähert sich seiner letzten Erfüllung.
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Ergebenst
Ihr Freund
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PS: Ich hoffe doch, Dr. Rai, Ihnen ein andermal die gesamte Geschichte näher darlegen zu können. Aaach. Sie ist lang. Um genau zu sein, sie dauert bereits über 2333 Jahre.
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Es bedarf etwas, das man früher eine übermenschliche Anstrengung nannte, um in dieser Nacht, die ich in meiner Wohnung verbringe, noch ein wenig Schlaf zu finden. Denn ich weiÃ, dass die Worte Iskanders aus der Tiefe der Jahrhunderte kommen. Ich weiÃ, dass alles Lüge ist, dass hier die Wahrheit direkt zu mir spricht, sich aber noch nicht als solche zu erkennen gegeben hat. Und ich weiÃ, dass dieser Gedanke vollendeter Wahnsinn ist.
Dann wieder komme ich mir vor wie ein Dieb, der sich im Nichts eine Geschichte zusammenstiehlt. Eine Geschichte, in welcher der Part der Wirklichkeit von einem Trugbild übernommen wird.
Und mit diesem sonderbaren Gedanken schlafe ich ein. Ich habe einen Albtraum, dessen genauen Ablauf ich vergesse, und der mir beim Aufwachen minutenlang wie eine doppelbödige himmlische Vision erscheint.
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Am Morgen hole ich in Gablitz mein Gepäck ab und mache mich auf den Weg zum Flughafen. Mit den zu erledigenden Handlungen versuche ich mich wieder der Welt einzuverleiben. Sophia, die mir mehrere Nachrichten schreibt, trägt ihres dazu bei. Ich stelle den Wagen auf einem Langzeitparkplatz ab, und eine Stunde später brüllen die Triebwerke einer kleinen Bombardier-Maschine auf und pressen mich in den Sitz. Die moderne Welt ist kein Ergebnis einer Verschwörung, der Kolonialismus kein Plan, und die Geschichte kein mysterium . Weià Gott, wer dieser Iskander ist und welcher Dämon in seiner Schreibmaschine haust. Aus dem Flugzeugfenster sehe ich hinab auf die Rollbahn. Dort streckt sich ein steinerner, schon entschwindender Fluss â der mein altes Leben mit sich schwemmt und die Geschichte Iskanders ein paar Augenblicke lang bloà noch lächerlich erscheinen lässt.
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ÃBER GENERATIONEN hat man sich in Indien über einer Frage in den Haaren gelegen. Sie lautete: Wie wirklich ist die Welt? Es gibt manche Lösungsvorschläge und eine Menge Streit, doch um es kurz zu machen: Am Ende kommen viele zu dem Schluss, unsere Welt sei ein ÄbhÄsa , eine bloÃe Projektion des Inhalts unseres Bewusstseins auf den Bildschirm des Seins/Nichtseins. Es sei, argumentiert man, als gingen wir auf einem dämmrigen Pfad dem Abend entgegen, stieÃen dabei auf einen Holzstock, der wenige Meter vor uns über den Pfad gestreckt liege, und führen erschreckt zurück, weil wir den Stock für eine gefährliche Schlange hielten, wir also
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