Der dritte Kontinent (Artesian 3) (German Edition)
interstellaren Einheit wissen musste. Da sie kampferprobt war und großen Anteil an der gelungenen Verteidigung Trenadils hatte, konnte sie sich ausschließlich auf die Theorie konzentrieren.
Dann war da noch Naggit, der kleine Drache, der wie Tira seine Heimat Artesian verlassen hatte. Er würde im Augenblick sicher wieder irgendetwas Dummes anstellen. Naggit stellte immer etwas Dummes an. Er wurde mehr und mehr zu einem Problem.
Madigan betrat die Kantine und ging zur Ausgabe. Sie wählte Kaffee, schwarz, doppelt gebrannt. Über dem Schacht hing ein Spiegel. Sie sah hinein und bemerkte die dunklen Ringe unter ihren Augen. Sie ärgerte sich nicht, fragte sich aber, ob sie als ein dauerhaftes Zeichen des Verlustes bleiben würden. Sie hatte eindeutig schon besser ausgesehen.
Mit einem Zischen öffneten sich die Paneele und ihr Getränk wurde in einer grauen Tasse ausgegeben - die Farben der Litkov-Söldner: Grün und dunkelgrau. Sie musste das dringend ändern.
Sie suchte einen Tisch im Halbdunkel der spärlichen Nachtbeleuchtung aus und setzte sich. Der erste Schluck war ausgezeichnet, der Kaffee gut. Madigan genoss die Zeit zwischen Mitternacht und der ersten Morgenstunde, bevor das Schiff mit dem Schichtwechsel wieder zum Leben erwachte. Genießen war vielleicht nicht das richtige Wort. Es war eher so, dass die Stille der Nacht sie umfing wie ein warmer Mantel. Sie wählte für ihre Pausen Orte, an denen tagsüber Geschäftigkeit herrschte, wie die Messe, der Frachtraum oder die Brücke.
Hocksters Tod hatte sie verändert. An jenem Tag hatte sich der Boden unter ihr aufgetan und sie hinabgezogen. Er war in ihren Armen gestorben und dann war sein Leichnam gemeinsam mit dem des Chetekken verbrannt. Nichts war von ihm übrig geblieben als bloße Erinnerung an einen Mann, der ihr Herz im Sturm erobert hatte.
Mit der Erinnerung kamen die Tränen. Sie weinte schon so lange, dass sie nicht mehr wusste, wie es vorher gewesen war. Das Leben war ungerecht, behandelte selbst jene mit Gleichgültigkeit und Brutalität, die sich um das Wohl einer halben Welt verdient gemacht und ihre Bewohner vor dem Joch der Sklaverei, vor Hunger und Tod bewahrt hatten.
Tira war ihr in dieser Zeit eine große Hilfe gewesen und auch Naggit war ihr anfangs einfühlsam und zurückhaltend begegnet. Viel Zeit für Trauer hatte sie sich aber nicht erlaubt. Als Anführerin der Verteidiger Trenadils hatte man sie zu den Verhandlungen mit den unterlegenen Chetekken gebeten. Sie hatte gern angenommen, denn alles war besser als der schwarze Sumpf der Erinnerung. Als Söldner lernt man früh, mit dem Tod umzugehen und man scheut davor zurück, feste Bindungen einzugehen. Als Hockster gefallen war hatte sie aufs Schmerzlichste erfahren müssen, weshalb.
Sie hatte keine Ahnung, wie man den Verlust eines geliebten Menschen verarbeitete. An dieser Aufgabe war sie schon gescheitert, als sie zuvor die Bestätigung vom Tode ihres Vaters erhalten hatte. Es gab keine Richtlinien und auch sonst stand nichts davon im Handbuch für Söldner, also hatte sie das getan, was sie immer getan hatte, wenn das Leben schwierig wurde: Sie hatte sich in die Arbeit gestürzt.
Nach den Kapitulationsverhandlungen war sie zur Independence zurückgekehrt. Gemeinsam mit Doc Telure, Leutnant Wilma Deluson und Tira Erylan hatte sie beschlossen, die Einheit wieder aufzubauen.
Vor allem anderen benötigten die Litkov-Söldner Personal und Schiffe. Krieg war lukrativ, vorausgesetzt, man verfügte über ausreichend finanzielle Mittel, Personal und Material. Geld war genug da, Waffenhändler und Schiffseigner fand man überall außerhalb des Wellmannsystems, aber Madigan war noch nicht bereit, entsprechende Befehle zu geben und Artesian zu verlassen. Die Independence gehörte jetzt ihr, das Vermächtnis ihres Vaters, und die Statuten des Militär-Handbuchs der Litkov-Söldner hatten sie zur Kapitänin gemacht, und zwar mit allen Ehren, Rechten und Pflichten. Auf die Ehren konnte sie verzichten, die Rechte waren vorerst bedeutungslos, aber die Pflichten blieben erdrückend.
Sie betrachtete die Prothese, die ihren linken Unterarm und die linke Hand ersetzte. Die Prothese hatte die goldene Färbung, die sie einst auf Artesian angenommen hatte, auch hier auf der Independence beibehalten.
Sie sah auf die Uhr. Schon nach Mitternacht. Doc Telure hatte sie gewarnt, sie würde das Kind gefährden, wenn sie nicht genug zu sich nahm und nicht ausreichend schlief. Zwei Jahre hatte sie auf
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