Der dritte Kontinent (Artesian 3) (German Edition)
Stoff des Mantels und in Hocksters Schulter.
Als Hockster um die nächste Ecke bog und den Palast schon vor sich aufragen sah, wurde er von einem hoch aufgeschossenen, dürren Mann aufgehalten. „Meister Beltrim. Hier!“
Hockster erkannte Serkals Diener, der sich bei seinem letzten Aufenthalt im Palast so freundlich um ihn gekümmert hatte, und blieb überrascht stehen.
„Ich habe Euch gleich an Eurem Hut erkannt“, sagte der Diener. „Ihr werdet erwartet. Der König hat mich ausgesandt, Euch hier zu treffen.“
„Woher weiß er, dass ich ...?“ Hockster hob die Hand und starrte wie entgeistert auf das Armband. Die kleinen Lichter blinkten um die Wette.
„Endlich!“, sagte er und an den Diener gewandt. „Dann los, ich habe es eilig!“
„So plötzlich?“, gluckste Tippet. „Diese Liebe, von der Ihr immer sprecht, ist das eine Herzensangelegenheit oder etwas, das Euer Körper von Euch im Sinne der Vereinigung verlangt?“
„Was?“
„Vergnügen oder Gefühl? Ich frage nur, weil ich Eure Aussagen diesbezüglich nicht eindeutig zuordnen kann. Mal scheint Ihr mir wie ein balzender Pouri-Pouri mit aufgestellten Federn, ein andermal wie ein verklärter Kristallschneider, der ergriffen sein neuestes Werk betrachtet.“
„Beides vermutlich. Das eine ist in diesem Fall nicht ohne das andere zu haben.“
„Ich verstehe aber nicht, worum es Euch dabei geht. Ihr wäret eindeutig besser dran, wenn Ihr sie vergessen könntet. Andererseits grinst Ihr glücklich, wenn sie Euch Ihre Aufmerksamkeit schenkt. Was wollt Ihr also von ihr?“
„Ich weiß es nicht! Glück? Liebe?“
„Noch eine Frage, bitte.“
Hockster stöhnte.
„Danke! Ständig wünscht Ihr, in ihrer Nähe zu sein.“
„Wie lautet die Frage?“
„Warum? Die Frage lautet: Warum? Liebt Ihr dann intensiver?“
Hockster drehte den Kopf und sah Tippet erstaunt an. „Nein, nicht die Liebe wird intensiver.“
„Habt Ihr sie genauso innig geliebt, als Ihr durch die Stollen von Tazkys geirrt seid?“
„Ja, ich glaube schon.“
„Dann ist es also egal, wo sie ist.“
„Nein! Ja! Wenn sie nicht da ist, fehlt mir die Hälfte von allem, was wichtig ist. Mit ihr an meiner Seite bin ich so groß wie jeder andere.“
„Noch eine letzte Frage“, bat Tippet.
„Nein!“, sagte Hockster barsch. Er war dankbar, dass sie versuchte, ihn auf andere Gedanken zu bringen, aber die Bedrohung durch die anrückende Armee beanspruchte seine ganze Kraft und Aufmerksamkeit. Er musste die gestohlenen Glasköpfe so schnell wie möglich abliefern. Vielleicht offenbarten sie den königlichen Beratern die Schwachstellen in der Struktur der Glaskrieger und die feindliche Armee konnte aufgehalten werden, bevor sie Idenhal erreichte. Es musste einfach gelingen. Wie sollte er sonst weiterleben?
Wo war sein Führer? Hockster suchte und fand den Rücken des Dieners, der unbeirrt und ohne Rücksicht auf andere Passanten durch die Straßen eilte. Dabei vermittelte er mit seinen langen dünnen Beinen das Bild eines flüchtenden Fischreihers. Einmal blieb er stehen, suchte und fand Hockster ein Dutzend Schritte hinter sich. Sein Blick wurde leer, bis Hockster neben ihm stand. Würdevoll sah er zu ihm herab und sagte ernst: „Ihr beeilt Euch besser!“ Im nächsten Moment sprang er wieder davon und Hockster hatte Mühe, ihm zu folgen.
„Hier herein, Herr!“ Der Diener wies auf einen Nebeneingang. Vor dem Thronsaal bog er in einen schmalen Gang, öffnete eine Tür und bat Hockster herein. Durch einen weiteren Gang gelangten er und Tippet in die privaten Gemächer des Königs. Der Diener schloss die Tür, eilte durch das Zimmer und verschwand in einem der angrenzenden Räume, aus dem leise Stimmen drangen.
„Hockster Beltrim und die Drachin Tippet sind eingetroffen.“
Mit einer Verbeugung verließ er rückwärts den Raum, schloss die Tür, kam zurück und bot Hockster und Tippet Platz und Erfrischungen an. Hockster lehnte beides ab. Tippet sagte: „Ich habe die Gastfreundschaft des Königs kennen und schätzen gelernt. Könnte ich bitte von diesem köstlichen Tee probieren, den Ihr beim letzten Mal serviert habt und dazu eine gegarte Fasanenbrust in Pflaumenmus?“
„Sehr gern.“ Der Diener verneigte sich und verschwand.
Hockster wanderte unruhig auf und ab, schaute bei jeder Runde erneut auf das Armband und vergewisserte sich, dass die kleinen Lichter noch glühten.
Am Tag zuvor hatte alles noch so einfach ausgesehen. Er hatte die Dunklen Wege bezwungen
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