Der dritte Kontinent (Artesian 3) (German Edition)
und es war ihm mit roher Gewalt gelungen, drei gläserne Köpfe zu stehlen. Er hatte alles getan, um den Beweis einer existierenden Glasarmee nach Idenhal zu bringen und nun konnte sich jeder, dessen Kopf über die Stadtmauern ragte, selbst davon überzeugen, dass es sie tatsächlich gab. Seine ausgemachte Heldentat, die erste und sicher auch letzte seines Lebens, schien nun ziemlich wertlos und würde auch überhaupt niemanden mehr interessieren. Und wenn Serkal nicht bald hier erschien und die Köpfe an seine Berater weitergab, blieb nicht mehr ausreichend Zeit, die darin eingeschlossene Magie zu ergründen, um auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse geeignete Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
Tippet rollte sich auf der Fensterbank zusammen und beobachtete das Treiben auf den Straßen der Stadt. Die Menschen richteten sich auf eine Verteidigung ein. Barrikaden wurden erreichtet und ganze Straßen abgesperrt. Improvisierte Waffen wurden ausgegeben, dazu gehörten lange Messer ebenso wie Hackbeile, Hämmer, Sensen und Forken. Frauen trieben ihre Kinder unter Androhung von Schlägen und schlimmeren Strafen in die Häuser, Männer taten dasselbe mit ihren Frauen, trauten sich aber nicht, Strafen auszusprechen und appellierten erst einmal an deren Vernunft.
Der Diener kehrte zurück. Tippet bedankte sich bei ihm und fragte ihn nach seinem Namen.
„Lantel“, sagte er mit einer Verbeugung. „Mein Name ist Lantel.“
Die Tür zum angrenzenden Raum flog auf. Serkal betrat das Zimmer, sah Hockster und kam auf ihn zu.
Lantel eilte nach draußen und noch bevor der König Hockster erreicht hatte, schloss er schnell, aber völlig geräuschlos, die Tür hinter sich.
Die Lichter auf Hocksters Armband erloschen, als Serkal stehen blieb, die zu Fäusten geballten Hände in die Hüften stemmte und ihn finster ansah.
Was hatte das alles nun wieder zu bedeuten, fragte Hockster sich. Er bekam die Antwort auf dem Fuße.
„Meister Beltrim, nennt mir einen Grund, weshalb ich Euch nicht sofort am nächsten Galgen aufknüpfen lassen soll.“
Hockster dachte blitzschnell nach. „Weil es noch keine Verhandlung gegeben hat?“, antwortete er. „Und weil ich auch gar nicht weiß, welches Verbrechen ich willentlich begangen haben soll. Ich habe im Gegenteil handfeste Beweise für die Existenz der Glasarmee. Hier: Drei Glasköpfe. Aber das ist meines Wissens kein Verbrechen – außer bei den Chetekken vielleicht.“ Hockster öffnete den Rucksack und nahm einen Glaskopf heraus. Er leuchtete in hellem Blau, glühte fast.
Serkal hielt Abstand und fragte: „Strahlt er Wärme aus?“
„Nein, aber er summt. Es kribbelt wie ein eingeschlafener Arm.“ Er sah sich um. „Tippet!“
„Hm?“
Hockster hielt ihr den Kopf hin. „Hast du eine Erklärung hierfür.“
Die Augen der Drachin wurden zu schmalen Schlitzen. „Ich vermute, der Aktivierungszauber hat sie stimuliert.“
Hockster legte den Glaskopf zurück zu den anderen und hielt Serkal den Rucksack entgegen. „Wenn Ihr sie noch wollt, übergebe ich sie Eurem Diener Lantel... Wo ist er hin?“
Die Tür öffnete sich. „Hier, Meister Beltrim.“ Lantel nahm den Rucksack. „Danke, Meister Beltirm.“ Er verbeugte sich vor Serkal und verschwand so schnell, wie er erschienen war.
Hockster sah ihm verblüfft hinterher, bis die Tür ins Schloss fiel.
Serkal forderte Hockster mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen. Er führte ihn in ein weiteres Zimmer und trat ans Fenster. Im Osten war deutlich die feindliche Armee zu sehen, eine gläserne Masse, die sich auf Idenhal zubewegte. „Beweise sind eigentlich nicht mehr nötig!“, sagte Serkal. „Wer hätte auch ahnen können, dass sie so schnell hier auftauchen?“
Hockster sah über die weite Ebene. Im Osten, und hinter der anrückenden Armee, lag Trenadil. Die Glasarmee und die sie begleitenden Chetekken folgten seiner Spur.
Der Bezwinger der Dunklen Wege und der Glaskopfdieb von Tazkys hatte der Glasarmee den Weg nach Heetland geebnet. Nun würden die Sänger und Dichter Hohn- und Spottlieder über ihn schreiben. Wenn es hinterher noch Sänger gab, die geneigte Zuhörer fänden. Sein Name würde noch weniger wert sein als die schwarze Stelle in einem gezogenen Zahn. Aus dem Auserwählten von einst war ein Verräter wider Willen geworden.
Aber was, so fragte er sich, während die feindliche Armee Staub aufwirbelte und immer näherkam, was habe ich auch anderes erwartet? Wie konnte ich glauben, dass es diesmal
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