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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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aus Kautschuk tief in die Lungen einzuziehen. Und hörte unterdessen Teile eines Gesprächs zwischen einem nicht mehr jungen religiösen Mann, der Leiter eines frommen Wohltätigkeitsverbands oder vielleicht Vorsteher einer Synagogengemeinde hätte sein können, und einem dicken, ungepflegten, unrasierten Reservesoldaten in schlampiger Arbeitsuniform.
    Der Soldat sagte: »Bei denen da paßt der Junge dauernd auf die Oma auf. Weicht den ganzen Tag nicht von ihr. Prüft alle halbe Minute, daß sie bloß nicht, Gott behüte, noch mal wegläuft. Die ist schon völlig plemplem im Kopf, aber Beine hat sie wie eine flinke Katze.«
    Der ältere Gabbai bemerkte traurig: »Der Verstand im Kopf drinnen sieht aus wie ein Stück Käse. Etwas gelb, etwas weiß. Mit allen möglichen Rillen. Im Fernsehen haben sie das gezeigt. Und der Gedächtnisschwund, da wissen die Wissenschaftler heute schon, daß das von Dreck kommt. Das kommt von Würmern, die da reinkriechen und langsam den Käseverstand auffressen. Bis er faulig wird. Manchmal kann man das sogar ein bißchen riechen.«
    Der Soldat berichtigte fachmännisch: »Das sind keine Würmer. Das sind Bakterien. Von der Größe eines Sandkorns. Sogar mit dem Vergrößerungsglas kann man’s kaum sehen, und alle Stunde werden vielleicht noch ein paar hundert davon geboren.«
    Fima setzte seinen Weg fort, dachte ein wenig über das Gehörte nach, meinte momentweise sogar fast den fauligen Käsegeruch, von dem derGabbai geredet hatte, in der Nase zu spüren. Dann blieb er vor der Tür eines Gemüsehändlers stehen. Auf dem Gehsteig drängten sich Kisten mit Auberginen, Zwiebeln, Salat, Mandarinen und Orangen. Darüber schwirrten Fliegen und auch zwei, drei Wespen. Es wäre schön, eines Tages mit Dimmi durch diese Gassen zu streifen. Fast körperlich spürte Fima die Wärme der Kinderfinger in seiner leeren Hand. Und er versuchte sich auszudenken, welche vernünftigen Dinge er dem kleinen, versonnenen Challenger bei ihrem gemeinsamen Streifzug hier sagen, in welchem neuen Licht er ihm all diese Eindrücke ringsum beleuchten würde. Gewiß würde Dimmi hier Aspekte entdecken, die ihm, Fima, verborgen blieben, weil er nicht mit der Beobachtungsgabe des Kindes begnadet war. Von wem hatte der Junge diese Gabe geerbt? Teddy und Jael waren augenscheinlich dauernd einzig und allein in die ihnen gestellten Aufgaben vertieft, und Baruch beschäftigte sich mit Legenden und ihrer Moral. Vielleicht wäre es das Richtigste, zu ihnen überzusiedeln. Man könnte beispielsweise mit einer vorläufigen Invasion beginnen, einen Brückenkopf errichten, etwa die bevorstehende Renovierung bei ihm zu Hause als Vorwand benutzen, sie von Anfang an beruhigen, es gehe ja nur um einen Notbehelf für zwei, drei Tage, allerhöchstens eine Woche, er werde niemandem zur Last fallen, herzlich gern nachts auf einer Matratze in der Wäscheecke auf dem Hinterbalkon schlafen. Und sofort vom Ankunftstag an werde er für alle kochen, das Geschirr spülen und abtrocknen, bügeln, in ihrer Abwesenheit auf Dimmi aufpassen, ihm bei den Hausaufgaben helfen, Jaels Leibwäsche im Waschbecken waschen und Teddys Pfeifen reinigen. Sie seien doch beide die meiste Zeit außer Haus, während er ein freier Mensch sei. Nach einigen Tagen würden sie sich an diese Lage gewöhnen. Ihre darin enthaltenen Vorteile entdecken. Eine tiefe Abhängigkeit von seinen Haushaltsdiensten entwickeln. Sie würden nicht mehr ohne ihn auskommen. Vielleicht würde gerade Ted als weitsichtiger, vorurteilsfreier Mann und logisch denkender Wissenschaftler den allseitigen Nutzen erkennen: Dimmi würde nicht mehr den ganzen Tag allein und verlassen, auf die Gnade der Nachbarn angewiesen und den Launen ihrer Kinder ausgesetzt, auf dem Hof herumlungern oder in tiefer Einsamkeit vor dem Computerbildschirm gefangen sitzen. Und Ted wäre der drückenden Last ledig, andauernd mit Jael von Angesicht zu Angesicht konfrontiert zu sein. Auch er würde sich ein bißchen befreit fühlen. Was Jael anbetraf, konnte man schwer wissen – vielleicht würde sie diese Situation mit gleichgültigemAchselzucken hinnehmen. Oder in ihr lautloses Lachen ausbrechen, wie sie es bei seltenen Gelegenheiten tat. Oder sie würde sich womöglich wieder aufmachen und nach Pasadena fahren und Dimmi uns beiden, Ted und mir, überlassen. Diese letztere Möglichkeit flammte plötzlich in strahlendem Goldlicht in Fimas Innern auf und erschien ihm faszinierend: eine Kommune. Ein Stadtkibbuz. Drei

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