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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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unterdrücken gesucht hatte. Er würde von Jaels senilem Vater, dem alten Pionier Naftali Zwi Levin, lernen, der den ganzen Tag lang nur die Wand vor sich anstarrte und auf jegliche Rede mit der Frage »In welcher Hinsicht?« antwortete. Eigentlichkeine schlechte Frage. Obwohl man bei genauerer Betrachtung vielleicht auch darauf verzichten könnte: Der Begriff »Hinsicht« schien ebenfalls leer und belanglos.
    Schnee von gestern.
    Grippe vom letzten Jahr.
    Asoi.
    Fima mußte angewidert daran denken, daß vergangenen Freitag, genau vor einer Woche, bei Schula und Zwi Kropotkin, die Debatte nach Mitternacht sich um die russischen Einflüsse auf die einzelnen zionistischen Strömungen gedreht hatte. Zwicka hatte sich kühl über den naiven Tolstoiismus bei A. D. Gordon und dessen Schülern mokiert, und Uri Gefen hatte daran erinnert, wie sich im Land einst die Liebe zu Stalin und die Lieder über Budjonnys Reiter ausgebreitet hatten. Worauf er, Fima, mit leicht gekrümmtem Rücken aufstand und sämtliche Anwesenden in schallendes Gelächter versetzte, indem er in schmelzend rollendem Tonfall einen typischen Abschnitt einer alten literarischen Übersetzung aus dem Russischen deklamierte: »›Haben Sie hier Wohnsitz genommen?‹ – ›Nein, in der Nähe von Spasow, beim Kloster W., dortselbst wohne ich, in der Vorstadt, bei Marfa Sergejewna, der Schwester Awdotja Sergejewnas. So Sie sich zu erinnern geruhen: Zu einem Balle fuhr sie, den Fuß brach sie sich, als sie aus der Kutsche gesprungen. Jetzt wohnt sie nahe des Klosters und ich – bei ihr ...‹«
    Uri hatte gesagt: »Damit kannst du im ganzen Land auf Tournee gehen. Es dem Volke nahebringen.«
    Und Teddy: »Das könnte direkt aus der Hochzeit in dem Film Deer Hunter stammen. Wie hieß der noch hierzulande?«
    Worauf Jael trocken, wie zu sich selbst, bemerkte: »Warum feuert ihr ihn noch an. Guckt doch, was er aus sich macht.«
    Als habe er eine Ohrfeige von ihr eingesteckt, die ihm Tränen des Dankes in die Augen trieb, wurde Fima sich jetzt der Bedeutung ihrer Worte bewußt. Und beschloß, sich niemals wieder vor ihr zum Narren zu machen. Oder vor anderen. Von nun an würde er sich zusammennehmen, konzentriert sein.
    Während er noch so dastand und sein neues Leben plante, dabei im Eingang eines grauen Backsteingebäudes die Namen der Bewohner von einer Reihe verbeulter Briefkästen ablas, erstaunt auch hier eine Familie Pisanti entdeckte und sich fast wunderte, wieso er dann nicht auch seinen Namendarunter fand, sprach ihn höflich ein geschniegelter sephardischer Talmudstudent an, ein schlanker, bebrillter Bursche in der Kleidung eines aschkenasischen Chassids. Zaghaft, als fürchte er, womöglich einen Faustschlag zu ernten, empfahl er Fima, hier auf der Stelle das Gebot des Tefillinlegens zu erfüllen.
    »Na, meinen Sie, das wird das Kommen des Messias beschleunigen?« fragte Fima.
    Der Awrech antwortete sofort enthusiastisch, als sei er von vornherein auf eben diese Frage vorbereitet gewesen, mit nordafrikanischem Akzent, aber in jiddischer Satzmelodie: »Das wird Ihrer Seele guttun. Auf der Stelle werden Sie Erleichterung und Freude empfinden, was ganz Wunderbares.«
    »In welcher Hinsicht?« fragte Fima.
    »Das ist eine bekannte Tatsache, mein Herr, wohlgeprüft und erprobt: Der Gebetsriemen für den Arm beseitigt die Unreinheit des Körpers und der für den Kopf – spült den ganzen Schmutz von der Seele.«
    »Und woher wissen Sie, daß mein Körper unrein und meine Seele schmutzig ist?«
    »Gott behüte, so was will ich nicht gesagt haben. Daß ich mich nicht mit den Lippen versündige. Die Seele eines jeden Juden, selbst wenn er, Gott bewahre, ein Vergehen auf sich geladen hat, ist am Sinai dabeigewesen. Das ist ein bekanntes Faktum. Deswegen leuchtet und strahlt jede jüdische Seele wie der Himmelsglanz. Aber, was soll ich sagen? Manchmal kann es zu unserem Leidwesen passieren, daß vor lauter Kummer und Nöten, vor all dem Mist, den das Leben auf der niedrigen Welt dauernd über uns auskippt, die Seele sich gewissermaßen mit Staub überzieht. Was tut der Mensch, wenn der Motor in seinem Auto verstaubt ist? Er läßt ihn waschen. Und so ist es auch mit dem Staub auf der Seele. Den bringt das Gebet des Tefillinlegens im Handumdrehen weg. Gleich fühlen Sie sich wie neu.«
    »Und was nützt es euch, wenn ein Weltlicher einmal Gebetsriemen anlegt und danach weiter Übertretungen begeht?«
    »Gut, das ist folgendermaßen, mein Herr: Erstens, auch

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