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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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heute, ja, telefonisch, gewiß doch, daß ich sie genau zwei Tage nach ihrer nächsten Regel hier haben muß. Und falls ›Regel‹ am Telefon nicht gut rüberkommen sollte, sag ihr bitte, zwei Tage nach der Periode. Ist mir egal, was du sagst. Meinetwegen sag ihr zwei Tage nach ihrem Thorafreudenfest. Hauptsache, du gibst ihr einen entsprechenden Termin. Danke.«
    Wahrhaftig, der im Fall eines Brandes dazu neigte, den Inhalt des nächstbesten Eimers ins Feuer zu kippen, ohne erst groß zu prüfen, ob Wasser oder Benzin drin war, mischte sich ein: »Thorafreudenfest, das erinnert mich an einen alten Witz über Begin und Jassir Arafat.« Und schon begann er zum hundertsten Mal zu erzählen, wie Begins Scharfsinn über Arafats Schlechtigkeit siegte.
    Gad Etan erwiderte: »Ich hätte sie alle beide aufgehängt.«
    Tamar sagte: »Gad hat einen schweren Tag gehabt.«
    Und Fima fügte seinerseits hinzu: »Es sind überhaupt schwere Tage. Was wir in den Gebieten machen, wird andauernd nach Kräften verdrängt, mit dem Ergebnis, daß eine wut- und aggressionsgeladene Atmosphäre herrscht und jeder über jeden herfällt.«
    An diesem Punkt stellte Wahrhaftig die Rätselfrage, was der Unterschied zwischen Monte Carlo und Ramallah sei? Und erzählte noch einen Witz. Wobei er mittendrin, auf halbem Weg zwischen Monte Carlo und Ramallah, in dröhnendes Gelächter ausbrach. Doch plötzlich erinnerte er sich seiner Autorität, wurde zornrot im Gesicht, plusterte sich auf – die Wange zitterte – und donnerte vorsichtig: »Bitte! Die Pause ist beendet! Tut mir leid! Fima! Tamar! Auf der Stelle die Kneipe schließen! Unserganzer Staat hier – asiatischer als Asien! Was heißt Asien! Afrika! Aber bei mir wird noch wie in einem geordneten Staat gearbeitet!«
    Diese Worte waren allerdings überflüssig, da Gad Etan bereits wieder in sein Zimmer geschlüpft war, Tamar sich draußen das Gesicht wusch und Fima sowieso nicht von seinem Schalter wich.
    Um halb sechs kam eine große, blonde Frau in einem hübschen schwarzen Kleid. Sie hielt vor Fimas Tisch und fragte, fast wispernd, ob man’s ihr ansähe? Ob sie grauenhaft aussähe?
    Fima, der die Frage nicht gehört hatte, antwortete versehentlich auf eine andere: »Aber sicher, Frau Tadmor. Natürlich wird keiner etwas erfahren. Sie können beruhigt sein. Wir sind hier diskret.« Und obwohl er es taktvoll vermied, sie anzublicken, spürte er ihre Tränen und fügte hinzu: »Hier in der Schachtel sind Papiertaschentücher.«
    »Sind Sie auch Arzt?«
    »Nein, Frau Tadmor. Ich bin nur Büroangestellter.«
    »Sie sind schon lange hier?«
    »Von Anfang an. Seit Praxiseröffnung.«
    »Da haben Sie hier gewiß alle möglichen Szenen erlebt.«
    »Manchmal gibt’s hier ein paar schwierige Momente.«
    »Und Sie sind kein Arzt?«
    »Nein, Frau Tadmor.«
    »Auf wie viele Ausschabungen kommen Sie so pro Tag?«
    »Leider kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten.«
    »Entschuldigen Sie die Frage. Das Leben hat mir jäh einen schweren Schlag versetzt.«
    »Ich verstehe. Bedaure.«
    »Nein, Sie verstehen nicht. Bei mir ist keine Ausschabung vorgenommen worden. Nur eine kurze Behandlung, aber ziemlich demütigend.«
    »Tut mir leid. Ich hoffe, es wird Ihnen jetzt bessergehen.«
    »Gewiß steht bei Ihnen genau vermerkt, was man mit mir angestellt hat.«
    »Ich gucke niemals in die Krankenblätter, wenn Sie das meinen.«
    »Sie haben Glück, daß Sie nicht als Frau geboren sind. Sie können nicht einmal ahnen, was Ihnen da erspart geblieben ist.«
    »Bedaure. Soll ich Ihnen Kaffee machen? Oder Tee?«
    »Immerfort bedauern Sie. Was bedauern Sie denn so viel? Sie haben mich ja noch nicht einmal angeschaut. Blicken ständig zur Seite.«
    »Entschuldigen Sie. Habe ich gar nicht gemerkt. Pulverkaffee? Oder türkischen?«
    »Komisch, nicht? Ich war sicher, Sie seien auch Arzt. Nicht wegen der weißen Jacke. Sind Sie zur Ausbildung hier? Praktikant?«
    »Nein, Frau Tadmor. Ich bin nur Bürokraft. Vielleicht hätten Sie lieber ein Glas Wasser? Es ist kalter Sprudel im Kühlschrank.«
    »Wie ist es, so lange an einem solchen Ort zu arbeiten? Ist das denn eine Stelle für einen Mann? Entwickelt man da nicht eine Abscheu gegen Frauen? Sogar in physischer Hinsicht?«
    »Ich meine nicht. Jedenfalls kann ich wohl nur von mir selber sprechen.«
    »Und Sie? Keine Abscheu vor Frauen?«
    »Nein, Frau Tadmor. Im Gegenteil.«
    »Was ist das Gegenteil von Abscheu?«
    »Vielleicht Zuneigung? Neugier? Ein bißchen schwer zu

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