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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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so? Hat das was mit dem Gegenteil von Schlafenlegen zu tun? Ich geb’ dir noch ein bißchen Brandy, Fima. Das wird dich beruhigen.«
    Mit fieberhafter Verzweiflung kippte Fima den Brandy in einem langen Zug hinunter – den Kopf zurückgelegt wie die Wodkatrinker in Rußlandfilmen. Vor seinen Augen zeichnete sich bis in alle Einzelheiten das Bild ab, wie dieser Schrank mit den buschigen Augenbrauen, die wie Stahlwolltopfkratzer wirkten, Jael Samstag morgens ein Glas Orangensaft ans Bett bringt und sie schläfrig, wohlig, die Augen noch fast geschlossen, eine zarte Hand ausstreckt und den Verschluß seiner – sicher rotseidenen – Pyjamahose streichelt. Dieses Bild weckte in Fima weder Eifersucht noch Begierde oder Wut, sondern, zu seiner Verblüffung, tiefes Mitgefühl für diesen ehrlichen, fleißigen Menschen, der an ein Arbeitstier erinnerte, Tag und Nacht vor seinem Computer hockte, um einen Weg zur Vervollkommnung des Düsenantriebs für Kraftfahrzeuge zu finden, und hier in Jerusalem vermutlich keinen einzigen Freund besaß.
    »Das traurigste ist diese fortschreitende Lähmung der Linken«, sagte Fima.
    »Stimmt«, erwiderte Tobias. »Sehr richtig. Das war bei uns fast dasselbe zu Zeiten von Vietnam. Soll ich Kaffee machen?«
    Fima verfolgte ihn in die Küche und fuhr leidenschaftlich fort: »Der Vergleich mit Vietnam – das ist unser allergrößter Fehler, Teddy. Hier ist nicht Vietnam, und wir sind ganz sicher keine Blumenkinder. Der zweite Fehler ist der, zu hoffen, die Amerikaner würden die Arbeit schon für uns erledigen und uns aus den Gebieten rausholen. Was schert’s die, daß wir hier langsam, aber sicher zum Teufel gehen?«
    »Richtig«, sagte Ted in dem Tonfall, in dem er Dimmi für die Lösung einer Rechenaufgabe zu loben pflegte, »sehr richtig. Keiner tut dem anderen einen Gefallen. Jeder kümmert sich um sich selber. Und selbst dafür reicht der Verstand nicht immer.« Unterdessen hatte er einen Kessel aufgesetzt und begonnen, das saubere Geschirr aus der Spülmaschine zu räumen.
    Fima – in höchster Aufregung stürmisch herumfuchtelnd, als wolle er augenblicklich das Gegenteil beweisen – schob Ted ein Stück zur Seite und fing unaufgefordert an mitzuhelfen: schnappte sich eine große Handvoll Besteck aus der Maschine und lief nun in der Küche herum, riß Türen und Schubladen auf, ohne sie wieder zuzumachen, auf der Suche nach einem Ort, wo er seine Beute in Frieden abladen konnte, und referierte unablässig über den Unterschied zwischen Vietnam und Gaza und zwischen Tissmonet-Nixon und Tissmonet-Schamir , obwohl ihm dabei einige Messerund Gabeln aus der losen Hand rutschten und sich über den Küchenboden verteilten.
    Ted bückte sich, hob sie auf und fragte höchst vorsichtig: » Tissmonet ? Ist das ein neues Wort im Hebräischen?«
    » Tissmonet. Syndrom. Wie ihr damals das Vietnamsyndrom hattet.«
    »Hast du nicht vorhin gesagt, der Vergleich mit Vietnam wär’ ein Fehler?«
    »Ja. Nein. In gewisser Hinsicht ja. Das heißt ... Man muß vielleicht zwischen Symptom und Syndrom unterscheiden.«
    »Hier«, sagte Ted, »leg das hier in die zweite Schublade.«
    Aber Fima hatte bereits aufgegeben, ließ die ganze Handvoll Besteck auf der Mikrowelle los, zog sein Taschentuch hervor, putzte sich erneut die Nase und wischte dann geistesabwesend den Küchentisch damit ab, während Ted Teller nach Art und Größe sortierte und jeden Stapel an seinen richtigen Platz in den Schrank über dem Spülstein stellte.
    »Warum gibst du das nicht an die Presse, Fima. Mach’s publik, damit noch andere es lesen. Deine Sprache ist so reich. Und das macht dir auch die Seele leichter: Man sieht doch, wie du leidest. Faßt die Politik derart persönlich auf. Nimmst dir die Lage zu Herzen. In einer Dreiviertelstunde ungefähr kommt Jael mit Dimmi zurück. Und ich muß ein bißchen arbeiten. Wie hast du gesagt, nennt man deadline auf hebräisch? Am besten trägst du vielleicht deinen Kaffee in den living room , und ich dreh’ dir den Fernseher an? Ungefähr die Hälfte der Nachrichten kriegst du noch mit. Okay?«
    Fima willigte sofort ein: Es würde ihm doch nicht einfallen, den ganzen Abend zu stehlen. Aber statt seinen Kaffee zu nehmen und sich ins Wohnzimmer zu begeben, vergaß er die Tasse auf der Küchenplatte und lief Ted hartnäckig den ganzen Korridor entlang nach, bis Ted sich entschuldigte, auf die Toilette ging und die Tür hinter sich abschloß. Vor verschlossener Tür führte Fima seinen

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