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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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nackten Körper striegelte. Sich zu ihr niederbeugte und sein Glied zwischen ihren kleinen, festen Brüsten rieb, ausdauernd in gleichmäßigem Arbeitsrhythmus, als säge er ein Brett durch. Bis Jaels Augen sich mit Tränen füllten und plötzlich auch Fimas, und er sich eilig in ein fleckiges Taschentuch schneuzte, bei dessen Hervorziehen ihm ein Zwanzigschekelschein aus der Tasche fiel – vielleicht das Wechselgeld, das er in dem Lokal am Zionsplatz herausbekommen hatte, oder eine frühere Spende seines Vaters.
    Ted bückte sich und reichte ihm den Schein. Dann preßte er den Tabak in seiner Pfeife ein wenig fester, zündete sie von neuem an und ließ einen feinen Rauchschleier aufsteigen, den Fima verabscheuen wollte, aber unwillkürlich genoß.
    »Ja«, sagte Ted, »du hast also von der Lage in den Gebieten angefangen. Wirklich eine komplizierte Sache.«
    »Was redest du eigentlich von der Lage in den Gebieten«, ereiferte sich Fima. »Was heißt Lage in den Gebieten. Das ist auch so ein Selbstbetrug. Es geht hier nicht um die Lage in den Gebieten, sondern um die Situation im Staat. Innerhalb der grünen Linie. In der israelischen Gesellschaft. Die Gebiete sind nichts als unsere eigene Schattenseite. Was dort tagtäglich passiert, ist bloß der konkrete Ausdruck des moralischen Fäulnisprozesses, der uns seit siebenundsechzig befallen hat. Wenn nicht schon vorher. Wenn nicht von Anfang an.«
    »Fäulnis?« fragte Ted vorsichtig.
    »Fäulnis. Degeneration. Corruption. Wir lesen jeden Morgen Zeitung, hören den ganzen Tag Nachrichten, schauen Abend für Abend die Fernsehnachrichten, seufzen, sagen einander, daß es auf gar keinen Fall so weitergehen kann, unterzeichnen hier und da einen Aufruf, aber eigentlich tun wir gar nichts. Null. Zero. Nix.«
    »Nein«, sagte Ted, und nach einigem Nachdenken, währenddessen er bedächtig und konzentriert seine Pfeife neu gestopft und in Brand gesetzt hatte, fügte er bescheiden hinzu: »Jael geht zweimal die Woche volunteering im Toleranzförderungskomitee. Aber es heißt, es käme bald zu einer Spaltung in diesem Verein. Woher kommt übrigens dieses Wort ›Aufruf‹? Hat das was mit auf, auf zu großen Taten zu tun oder mit dem einsamen Rufer in der Wüste?«
    »Aufruf«, erwiderte Fima, »Petition. Ein Wisch Papier. Selbstbefriedigung.« Dabei schlug er vor lauter Wut versehentlich mit der Faust auf die Tastatur des Textverarbeitungsgeräts.
    »Paß auf«, sagte Ted, »wenn du meinen Computer kaputthaust, hilft das den Arabern auch nicht.«
    »Wer redet denn überhaupt von Hilfe für die Araber!« schrie Fima verletzt. »Hier geht’s drum, uns selber zu helfen! Das sind nur die da, die Verrückten, die Rechten, die versuchen uns so hinzustellen, als wäre es unsere Absicht, den Arabern zu helfen!«
    »Begreif ich nicht«, sagte Ted und kratzte sich übertrieben den Krauskopf wie ein Begriffsstutziger. »Was, jetzt sagst du, wir versuchen nicht die Lage der Araber zu verbessern?«
    Fima fing also mit mühsam unterdrückter Wut ganz von vorne an und erklärte in einfachem Hebräisch seine Auffassung von den taktischen und psychologischen Fehlern, die die gemäßigte Linke in den Augen der Masse des Volkes mit dem Feind solidarisch erscheinen ließen. Wobei er erneut über sich selber wütend wurde, weil er den abgedroschenen Ausdruck »Masse des Volkes« verwendet hatte. Während seiner Rede merkte er, daß Ted verstohlen nach den Computergraphiken, die auf dem Teppich verstreut lagen, schielte und mit dem haarigen Finger immer wieder den Tabak in seiner Pfeife festdrückte. Am Finger glitzerte der Ehering. Vergeblich mühte sich Fima, das Bild auszulöschen, wie eben dieser Finger mit haargenau der gleichen Bewegung an Jaels Schamlippen pochte. Gleichzeitig beschlich ihn der Verdacht, er werde hier belogen und betrogen, Jael verstecke sich im Schlafzimmer vor ihm, weine stumm erstickt mit bebenden Schultern ihre Tränen ins Kissen, wie sie manchmal mitten im Beischlaflosweinte und wie Dimmi zuweilen lautlos weinte, wenn er eine Ungerechtigkeit erkannte, die man ihm, einem Elternteil oder Fima angetan hatte.
    »In einem geordneten Staat«, fuhr er fort, unwillkürlich Dr. Wahrhaftigs Lieblingsausdruck verwendend, »in einem geordneten Staat hätte sich schon längst ein Bürgeraufstand formiert. Eine Arbeiter- und Studentenfront hätte die Regierung gezwungen, auf der Stelle mit diesem Greuel aufzuhören.«
    »Was heißt Bürgeraufstand? Civil resistance ? Warum heißt das

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