Der dritte Zustand
zwischen den Mülltonnen im Dreck liegend gefunden hatten. So ein ekliger Hund mit kahlem Rücken, mit Wunden und Fliegen am Hinterbein. Er hatte einmal Zelil Weintraub, einem Freund von ihnen, gehört, aber seit Zelils Familie außer Landes gegangen war, gehörte er niemandem. Lebte so vom Müll. Der Hund hatte hinter den Mülltonnen auf der Seite gelegen und die ganze Zeit gehustet wie ein alter Mann, der zu viel raucht. Sie hatten ihn ärztlich untersucht, und Janiv hatte gesagt, der geht bald ein, er hat Gasbrand. Dann hatten sie ihm gewaltsam das Maul aufgesperrt und ihm mit einem Löffel eine von Ninja Marmelstein erfundene Arznei eingeflößt: braunes Wasser aus der Pfütze, vermengt mit ein bißchen Sand, ein paar Blättern, etwas Gipsstaub und einem Aspirin von Janivs Mutter. Danach beschlossen sie, ihn in einer Decke ins Wadi hinunterzutragen und Isaaks Opferung mit ihm zu veranstalten, wie sie es im Bibelunterricht gelernt hatten. Das war Ronens Idee gewesen, der auch losgelaufen war und ein großes Brotmesser von zu Hause geholt hatte. Denganzen Weg bis zum Wadi hatte dieser Winston ruhig in der Decke gelegen, sogar höchst zufrieden gewirkt und mit dem Schwanz gewedelt, als sei er äußerst dankbar. Vielleicht dachte er, sie brächten ihn zum Arzt. Wer sich ein bißchen über ihn beugte, bekam Gesicht oder Hände geleckt. Im Wadi sammelten sie Steine, errichteten einen Altar und legten den Hund darauf, der sich überhaupt nicht wehrte, die ganze Zeit alle so neugierig anguckte wie ein Baby, so vertrauensvoll, als fühle er sich wohlaufgehoben unter liebevollen Freunden oder als verstehe er das Spiel und mache gern mit. Seine Wunden waren eklig, aber die Gesichtszüge richtig lieb, mit braunen Augen, die Verstand und Gemüt ausdrückten. Das gibt’s doch, Fima, daß man ein Tier anguckt und meint, es würde sich an was erinnern, das die Menschen schon vergessen haben. Oder es scheint einem nur so. Allerdings geht einem ein dreckiger Köter wirklich auf die Nerven, strotzt vor Flöhen und Zecken, umschwänzelt jeden, bettelt, legt dir gern andauernd das Gesicht auf die Knie und begeifert dich.
Seine, Dimmis, Idee war es gewesen, grüne Zweige und Blumen zu pflücken und den Altar damit zu schmücken. Winston selber hatte er auch ein Kränzchen auf den Kopf gesetzt wie bei Geburtstag im Kindergarten. Dann fesselten sie ihn eng an Vorder- und Hinterbeinen, aber er hörte immer noch nicht auf, rumzuschmeicheln und sich zu freuen und ständig mit dem Schwanz zu wedeln, als sei er überglücklich, daß alle sich nur mit ihm beschäftigten. Wer sich nicht in acht nahm, wurde abgeschleckt. Danach losten sie. Ninja Marmelstein zog die Aufgabe, Gebete zu singen, Ronen mußte ein Grab schaufeln, und er, Dimmi, sollte das Schlachten übernehmen. Zuerst hatte er versucht, sich davor zu drücken, mit der Ausrede, er sehe nicht gut genug, aber sie hatten ihn verspottet, hatten ärgerlich gesagt, Los ist Los, sei doch kein so ’n Schöngeist. Und da blieb ihm keine Wahl. Aber es klappte nicht. Das Messer zitterte ihm in der Hand, und der Hund bewegte sich die ganze Zeit. An Stelle der Kehle schnitt er ihm ein halbes Ohr ab. Der Hund fing an herumzutoben und loszuheulen mit so einer Stimme wie ein Baby und nach Luft zu schnappen. Also mußte er schnell noch mal zustoßen, damit das Gejammer aufhörte. Aber das Messer ging wieder daneben, statt in die Kehle in eine weiche Stelle am Bauch, weil Winston sich kreischend hin und her warf, und nun blutete er wie wild. Janiv sagte, was ist denn, nicht weiter schlimm, ist ja schließlich bloß ein stinkender Araberköter. Und Ninja meinte, der hat doch sowieso Gasbrand und ist bald tot. Beim dritten Mal stieß er mit aller Macht zu, trafaber auf einen Stein, so daß das Messer abbrach. Nur den Griff hatte er noch in der Hand. Ninja und Janiv packten Winston am Kopf und schrien, nun mach schon, schnell, du Blödian, nimm die Messerklinge und schneid mal zu. Aber von der Klinge war nicht genug übriggeblieben, man konnte ihm partout nicht die Gurgel durchsägen, alles ringsum glitschte vor Blut, und dauernd, dauernd hieb er daneben. Zum Schluß waren sie alle blutverschmiert, wie konnte ein Hund bloß soviel Blut haben, vielleicht war das wegen dem Gasbrand. Janiv, Ninja und Ronen ergriffen die Flucht, und der Hund biß das Tau durch und kam frei, aber nur an den Vorderläufen, die hinteren blieben zusammengebunden, und mit solchem Gekreische, nicht mit Hundeschreien, sondern
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