Der Dschunken Doktor
Opfer sind …«
»Einen trifft es eben – aber es ist nichts passiert. Vielleicht habe ich hinten einen blauen Fleck.«
»Mein Arzt wird gleich kommen.«
»Dann gehe ich sofort! Mr. McLindlay, vergessen wir doch diese Lappalie. Ich bin für den Bums sogar dankbar. Durch ihn habe ich Sie und Ihren Märchenpalast kennengelernt. Ich glaube, Mrs. Harpers war durch den Schreck mehr geschädigt als ich …«
»Ich werde nur noch mit Chauffeur fahren«, sagte Betty kleinlaut. »Ich verspreche es.«
»Das ist ein Grund zum Feiern!« McLindlay legte den Arm um Merker. »Sie haben Betty von etwas überzeugen können … wenn Sie wüßten, welche Leistung das ist! Haben Sie einen Wunsch?«
»Ja. Einen großen!«
»Ist erfüllt!«
»Was zu essen. Ich habe Hunger …«
McLindlay lachte schallend, hieb Merker auf die Schulter und brüllte begeistert: »So etwas wie Sie habe ich immer gesucht! Wir werden uns blendend verstehen, Mr. Merker.«
Zur gleichen Zeit führte ein Mann, der sich Yang Ta-min nannte, ein Telefongespräch mit einem anderen Mann, den er mit Koon anredete. »Der Deutsche ist jetzt bei Mr. McLindlay!« sagte Yang ruhig. »Sie können anfangen, Koon …«
»Es ist alles vorbereitet, Herr Yang.«
»Rufen Sie wieder an, wenn alles beendet ist. Der Himmel regne Blüten auf Sie, Herr Koon.«
»Ich bedanke mich untertänigst im Staub, Herr Yang.«
Die Verbindung brach ab. Herr Koon verließ seine Wohnung in der Soy Street, ging zur Garage und fuhr in einem Leichenwagen davon.
3
Aus dem Begrüßungscocktail von James McLindlay wurde ein fulminantes Essen mit neun traumhaften Gängen. Aus dem Essen entwickelte sich ein Besäufnis, bei dem James, der Milliardär, schottische Lieder zur Laute und später mit glasigen Augen unanständige Lieder in Bettys Schoß sang – und das war das Letzte, was Dr. Fritz Merker noch wahrnahm, bevor der Alkohol ihn betäubte und in die Welt der Träume entführte.
Er wachte auf, weil jemand auf seinen Wadenmuskeln herumhämmerte. An seinen Lidern schien Blei zu hängen; nur mühsam bekam er die Augen auf. Sein Schädel mußte in einer Schraubzwinge stecken, so bohrend war der Schmerz in jeder Hirnwindung. Und in dem Augenblick, in dem er begriff, daß er völlig nackt auf dem Bauch lag und jemand ihn massierte, sagte eine helle Mädchenstimme mit unverkennbar chinesischem Akzent:
»Ist gut so, Mister? Sagen Sie, wo noch besser …«
Merker hob mühsam den Kopf, blickte zur Seite und erkannte eine zierliche, barbusige Chinesin, die mit flinken Händen seinen nackten Körper bearbeitete. Er ließ den Kopf wieder auf die Matratze sinken.
»Hör auf!« sagte er mit trockenem Hals.
»Massieren vertreibt die bösen Geister …«
»Ein Schluck Wasser noch mehr!«
»Whisky?«
»Noch so ein Wort und ich übergebe mich! – Wasser, schöne Kirschblüte …«
»Und dann massieren, wo am schönsten, Mister?«
»Das mag zwar hier zur Gastfreundschaft gehören, aber mich läßt du jetzt in Ruhe!« Er wälzte sich stöhnend auf den Rücken, zog ein Handtuch über seinen Unterleib und ärgerte sich, daß die kleine, süße Chinesin ihn ungeniert angrinste. »Wie spät ist es?«
»Gleich elf Uhr, Mister …«
»Ach du dickes Ei!« Dr. Merker sprang auf. Er hielt sich den Kopf fest, schwankte etwas im Sitzen und nannte sich einen Idioten. Keine hastigen Bewegungen bei solch einem Kater, keine Belastungen des Kreislaufes … Ärzte halten sich selbst am wenigsten an die Grundregeln, die sie immer predigen. »Wo ist hier ein Bad?«
»Natürlich gleich nebenan.«
»Natürlich!« Merker erhob sich. Er hatte jetzt keinen Sinn für die Pracht, die ihn umgab; für den faszinierenden Weitblick, den er von der Terrasse seines Zimmers aus über Kowloon und das Meer hatte … er sehnte sich nach Wasser, nach einem belebenden Duschstrahl, und er dachte an Dr. Wang An-tse, den er um 8 Uhr hatte ablösen wollen und der nun mit seinem ganzen Tagesplan durcheinanderkam, weil er auf Dr. Merker wartete.
Er duschte sich erst warm, dann eiskalt, fühlte, wie das Blei in ihm schmolz und er halbwegs wieder mit seinen Muskeln und Sehnen funktionsfähig wurde. Als er aus dem Bad kam – ein Traum aus hellgrünem Marmor mit vergoldeten Armaturen und mit nach Rosen duftenden Wasser –, wartete noch immer die süße Chinesin auf ihn. Sie trug nur einen ganz kleinen, durchsichtigen Slip und wirkte zerbrechlich wie ein Porzellanpüppchen. Es war erstaunlich, welche Kraft sie in den Händen hatte …
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