Der Dschunken Doktor
Tei – das sagt gar nichts. Auf den Dschunken bekommen sie keine Antwort. Der einzige Kontakt zu Yang ist über ihren Nachtclub.«
»Aber die wissen es?«
»Nein. Yang kommt und geht. Das ist alles. Jede Verfolgung endet im Gewirr der Sampans und Dschunken. Wir haben es selbst erlebt. Unser Verfolgungsboot war plötzlich umringt von Sampans, die den Weg versperrten. Ehe wir durchbrechen konnten, war Yangs Boot in dem Gewirr der mehr als 5.000 Dschunken verschwunden.«
»Und ich darf wissen, wo Yang wohnt?« Dr. Merker wischte sich über die Augen. »Da stimmt doch etwas nicht, Ting! So dämlich bin ich nun doch nicht. Das Ganze ist nichts als eine Farce, nicht wahr?«
»Ich weiß natürlich nicht, wohin Yang Sie bringen läßt«, sagte Ting ehrlich. »Kann sein, daß Sie auf einer Dschunke landen, die mit ihr gar nichts zu tun hat. Ihr Ansehen beim ›Seevolk‹ ist ungeheuer groß. Sie könnte über jede Dschunke verfügen. Es kann aber auch sein, daß Sie ihr Allerheiligstes betreten dürfen, weil Sie als Ausländer ja doch hinterher nicht mehr wissen, wo Sie gewesen sind und nie und nimmer noch einmal den Weg dorthin finden.«
»Das ist sicher, Ting. Schon das Gewimmel in den Altstadtgassen ist für mich wie ein Labyrinth, geschweige denn auf dem Wasser!«
»Jedenfalls viel Glück, Flitz.« Ting Tse-tung drückte Dr. Merker an sich. »Ich werde Sie jedenfalls beschatten lassen, solange es geht.«
Durchaus nicht beruhigt ließ Dr. Merker sich wieder ins Queen Elizabeth Hospital bringen, diesmal mit einem Polizeiwagen und mit zwei Mann Begleitung. Ting wollte es so – als Demonstration, wie wertvoll Dr. Merker der Polizei war.
Kurz vor 21 Uhr saß Merker in der Halle des Fortuna-Hotels, hatte einen Drink bestellt und beschäftigte sich mit der Beobachtung seiner Umgebung. Das Fortuna war kein so ausgeprägtes Luxushotel wie das Peninsula oder Hyatt Regency, aber immerhin noch komfortabler als manches deutsche Vier-Sterne-Hotel. Der Service war schnell, ungemein höflich und diskret. Der Wodka-Orange schmeckte wirklich nach Wodka, was durchaus nicht selbstverständlich ist, und das dazu servierte Knuspergebäck war wirklich noch knusprig.
Pünktlich um 21 Uhr verbeugte sich einer der schwarzgekleideten Empfangsherren vor Dr. Merker und sagte gerade so laut, daß man ihn verstand: »Sir, Sie werden abgeholt. Darf ich Sie zu einem anderen Ausgang begleiten?«
Dr. Merker erhob sich aus dem tiefen Sessel, trank sein Glas leer und blickte sich um. Die Hotelhalle war belebt, und einer der vielen Menschen hier mußte ein Aufpasser von Ting Tse-tung sein. Sein Problem fing schon an – er konnte ihnen nicht zu dem anderen Ausgang folgen, ohne erkannt zu werden.
Dr. Merker lächelte schadenfroh, nickte dem Empfangschef zu und folgte ihm in das Hotelbüro. Von dort passierten sie mehrere Räume, durcheilten Korridore und wiederum Bürozimmer, bis sich eine Tür öffnete, die ins Freie führte. Sie standen auf einer anderen Straße, es war auch nicht die Rückseite des Hotels, sondern ein völlig fremdes Haus, und eine Rikscha wartete am Straßenrand mit hochgeklapptem Verdeck. Der Rikschaläufer verneigte sich tief, die Hände an die Holme gedrückt … ein dürrer Mensch, dessen schmaler Kopf unter dem breiten geflochtenen Strohhut völlig verschwand.
»Einen schönen Abend, Sir!« sagte der Empfangschef höflich und verbeugte sich auch. »Der Weg der Sterne möge Ihnen günstig sein.«
Kaum saß Dr. Merker in dem leichten, schwankenden Gefährt, riß der Rikschaläufer die Deichseln hoch und trabte los. Sie bogen um die nächste Ecke, und Merker war mitten in der phantastischen, unbegreiflichen, bunten, geheimnisvollen, geschäftigen, von allen Gerüchen durchsetzten, lauten und jeden Menschen aufsaugenden chinesischen Welt.
Der Rikschamann lief sehr schnell, stieß ab und zu helle Schreie aus und machte damit in dem Menschengewühl eine Gasse frei, durch die er seinen schwankenden Karren dirigierte, ohne das Tempo zu mindern.
Merker begriff jetzt, was Ting gemeint hatte, als er freimütig gestand, eine Überwachung sei fast unmöglich. Hinter der Rikscha schloß sich sofort wieder die Menschenmenge, und jeder Verfolger wäre heillos eingeklemmt gewesen. Er blickte ein paarmal um das Verdeck herum nach rückwärts, aber er konnte nicht erkennen, daß ihnen jemand folgte. Zudem zog gerade ein Festzug – vielleicht eine Hochzeit – über ihre Straße und versperrte alles. Fahnen wehten, ein großer
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