Der Dschunken Doktor
reden Sie mir zu munter!«
»Ting, ich kann Ihnen nur sagen, daß es mir blendend geht. Besser als je zuvor. Ich ahne, was Glück ist.«
»Nach einer Nacht mit Yang sollten Sie es wissen!«
»Das ist es nicht allein! Ting, machen Sie sich keine Sorgen um mich …«
»Und was ich mir für Sorgen mache! Flitz, für Sie ist Hongkong noch ein Irrgarten! In ein paar Monaten lernt man dieses himmlische Drecknest nicht kennen! Sie sind wie ein ausgesetzter Säugling in dieser Stadt! Auch wenn Sie jetzt glauben, mit Yang Himmel und Erde erobert zu haben … Blödsinn ist das! Kommen Sie sofort ins Polizeihauptquartier.«
»Nein.«
»Flitz, sind Sie verrückt geworden?!«
»Ich kann nicht, Ting. Bitte, glauben Sie mir: Ich bin in bester Verfassung und lebe gefahrlos!«
»Sie … nie! Was wir alles über Sie verbreitet haben …«
»Das ist Ihr Problem!«
»Aber über Ihrem Haupt wird es ausgeschüttet! Bitte, lassen Sie sich an Land bringen!«
»Wenn es um die nackte Sicherheit geht …«
»Nur um die!«
»… dann bin ich hier sicherer als irgendwo anders! Ting, vertrauen Sie mir. Ich kann jetzt hier nicht weg. Ich werde gebraucht.«
»Was heißt das?«
»Als Arzt gebraucht …«
»Himmel noch mal! Haben Sie Yang so zugerichtet?«
»Ting, Sie sind ein Ferkel!« sagte Dr. Merker und grinste doch dabei. »Ich melde mich wieder. Ich wollte Ihnen nur beweisen, daß ich lebe! Und noch eins: Beauftragen Sie nicht das Polizeiboot hier, mich zu überwachen. Es wäre ein Fehler und würde vieles verderben.«
»Ich muß wissen, wo Sie sind!«
»In der Schwimmenden Stadt …«
»Genauso könnten Sie sagen: im Süden von China! Bei wem? Bei Yang?«
»Einigen wir uns darauf: Ja, bei Yang.«
»Jetzt lügen Sie nicht?«
»Ting, kann man eine Frau wie Yang allein lassen, wenn man das Glück hat, sie zu lieben?«
Er wartete Tings Antwort nicht mehr ab, sondern legte auf. Der Polizeioffizier beobachtete es mit unbeweglicher Miene. Dr. Merker hob den Hörer wieder ab.
»Nun das Queen Elizabeth Hospital, bitte. Hausanschluß Nummer 12, Chefarzt der Chirurgie Dr. Stan Baldwin …«
»Sofort, Sir.«
Dieses Mal dauerte es etwas länger. Man mußte Dr. Baldwin suchen und fand ihn endlich im Ärztekasino. Als guter Engländer trank er gerade seinen Tee. Es war Tea-time.
»Lieber Kollege«, sagte Dr. Baldwin aufgeräumt, »was kann die Chirurgie für die Tropenmedizin tun? Muß ich ein Filarienwürmchen aus Ihnen herausschneiden?«
»Etwas mehr. Eine Cholezystektomie, wenn nicht gar eine Cholezysto-Duodenostomie. Der ganze Bauch sieht böse aus. Ich vermute auch einen Gallenstein-Ileus.«
»Das hört sich nach einem strammen Nachmittag an! Wieso können Sie noch munter reden?«
»Die Galle bin doch nicht ich! Ein Freund von mir …« Dr. Merker atmete tief durch. »Ich bin zu ihm gerufen worden und finde ihn desolat vor. Kann er sofort eingeliefert werden?«
»Aber ja! Einzelzimmer, Privatstation?«
»Nein. Normal genügt.«
»Krankenkasse?«
»Nein … Privatpatient …« Dr. Merker lächelte böse. Immer dasselbe. Ob in Deutschland oder Kowloon! Warum fragt ein Gallenstein nicht vorher, ob er es sich leisten kann, sich festzuklemmen?! »Ich übernehme die Liquidation …«
»Alles okay!« Dr. Baldwins Stimme war fröhlich. Tea-time regte ihn immer an. »Lassen Sie die Galle herankarren …«
Merker gab den Hörer an den Polizeioffizier zurück.
»Alles okay?« fragte auch der.
»Ja.«
»Können wir noch weiter helfen, Sir?«
»Danke. Sie haben eine gute Tat getan, Officer.«
»Dafür sind wir von der Polizei.« Der Offizier grinste breit. »Man verkennt uns nur immer.«
Eine Stunde später ratterte das kleine Boot wieder durch die engen Gassen der Dschunkenstadt. Um Dr. Meis Schiff und in den Nebengassen stauten sich die Sampans und Boote mit den wartenden Kranken. Wo Dr. Merker an ihnen vorbeifuhr, verneigten sich alle vor ihm. Es war eine Demut und eine anerkennende Höflichkeit, die ans Herz griff.
Wie soll das alles werden, dachte Merker. Soll ich auf Meis Dschunke ziehen und der Arzt der Wasserchinesen werden? Und mein Forschungsauftrag? Du lieber Gott, was wird das Schwierigkeiten mit den deutschen Behörden geben! Ein Austauscharzt haut einfach ab! Wirft die Klamotten hin und verschwindet unter den Chinesen. Die einzige Erklärung, die man finden wird, kann nur lauten: Er ist verrückt geworden! Das Klima … oder er hat sich irgendwie infiziert! Er kann nur verrückt geworden sein …
Was soll
Weitere Kostenlose Bücher