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Der Dschunken Doktor

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Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einmal mehr Fleischfetzen finden würde.
    Als die Feuerwehr eintraf, war nichts mehr zu löschen. Das Haus von Kommissar Ting gab es nicht mehr, das Wegräumen der Trümmer von der Straße konnte erst beginnen, wenn die Polizei das genehmigte. Zehn Streifenwagen der Road Police rasten heran und sperrten den Bezirk ab. Von der Station am Kowloon Park Drive fuhren zwei Mannschaftswagen los, um das ganze Gebiet abzusuchen. So etwas hatte es in Hongkong noch nicht gegeben: Ein Lastwagen als Bombe!
    Eine halbe Stunde später stand Kommissar Ting vor dem Trichter, auf dem einmal sein Haus gestanden hatte. Die Spurensicherung arbeitete auf Hochtouren und suchte in den Trümmern nach Anhaltspunkten.
    »Sie sind mit ihrem Zeitplan durcheinandergeraten«, sagte Ting nachdenklich. »Entweder hat das Mädchen zu früh geschossen oder der Fahrer war zu spät dran. Es sollte gleichzeitig ablaufen und mich hier treffen. Bald wäre es gelungen. Ich war schon auf dem Weg nach Hause …«
    Er wandte sich ab und setzte sich in seinen Wagen. Der offene Kampf hatte begonnen.

8
    Die einzige Möglichkeit, Dr. Merker zu erreichen, sah Ting nur noch in dem Nightclub ›Drachen von Canton‹. Hier war Yang Lan-hua der große Star, hier war die einzige Kontaktadresse. Wo Yang wirklich wohnte, wußte niemand. Irgendwo auf dem Wasser … Das konnte viel bedeuten: In der Masse von Yau Ma Tei oder in einer der vielen, zum Teil luxuriösen Wohndschunken, die auf den Wasserstraßen von Hongkong hin und her kreuzten, in den Buchten der 238 Inseln ankerten, aus denen die ehemalige britische Kronkolonie besteht, oder sogar im Dschunkenhafen von Aberdeen, dem Gegenstück zu Yau Ma Tei. Auch in Aberdeen hausen, so schätzt man, rund 20.000 Chinesen zeit ihres Lebens nur auf dem Wasser.
    Ting hatte ein paarmal versucht, den Besitzer der Bar ›Drachen von Canton‹ in die Zange zu nehmen, mit allen Tricks, bis zur Drohung der Konzessionsentziehung. Der ehrenwerte Mr. Tschou Tien-kuang bewies, daß er seinen Namen ›Himmelsglanz‹ zu Recht trug. Mit glänzenden Augen und glänzenden Wangen konnte er beweisen, daß er wirklich nichts wußte. Yang kam und ging … das genügte vollauf. Warum fragen, warum nachforschen?
    Kommissar Ting Tse-tung erfuhr von Herrn Tschou, daß Yang Urlaub genommen hatte. Am Nachmittag hatte sie von irgendwoher angerufen … wer wagte es, sie zu fragen, woher sie anrief? … daß sie drei Tage nicht auftreten könne. Das war eine Katastrophe für den ›Drachen von Canton‹. Die Tänzerin und Sängerin Tsching mußte aushelfen, aber Tsching war mehrere Nummern kleiner als Yang, sie besaß nicht die ungeheure erotische Ausstrahlung. Sie war eben nur hübsch, mit einem biegsamen Körperchen.
    »Sonst hat sie nichts gesagt?« fragte Ting am Telefon. Mr. Tschou verneinte. »Und Sie haben auch nicht gefragt?«
    »Wie kann man Yang etwas fragen. Entweder sie sagt es freiwillig oder nie! Sie hat nichts gesagt. Drei Tage Urlaub. Ich darf nicht rechnen, wieviel Verlust das ist. Aber es ist ja Yang … was will man tun?!« Tschou Tien-kuang, der ›Himmelsglanz‹, seufzte fett und legte auf.
    Auch im Queen Elizabeth Hospital erreichte Ting wenig. Dort sagte man ihm, daß Dr. Merker am Tag zuvor nicht gekommen sei und auch heute morgen nicht. Sein Zimmer sei leer, das Bett unberührt. »Es weht ein samtenes Lüftchen über Hongkong«, sagte der Arztkollege von der Tropenmedizin. »Dem wird Dr. Merker erlegen sein. Haben wir alle mal durchgemacht, Herr Kommissar. Gehört zu Hongkong! Morgen wird er wieder da sein mit verquollenen Augen und leerem Rückenmark.« Der Arzt lachte. »Aber irgendwie muß er doch aufgetaucht sein. Er hat gestern nachmittag die Chirurgie um Aufnahme einer akuten Galle gebeten. Der Chefchirurg rief vorhin bei mir an und wollte deswegen Dr. Merker sprechen.«
    »Das ist ein guter Hinweis!« sagte Ting erfreut. »Können Sie mich zur Chirurgie weiterverbinden?«
    »Sofort!«
    Es knackte ein paarmal, dann meldete sich Oberschwester Mabel aus dem Vorzimmer von Dr. Baldwin. Wie viele chirurgische Oberschwestern wirkte sie unterkühlt.
    »Ja?« sagte sie abweisend und blickte auf die Uhr. Vormittags-Tea-time des Chefs. Wer wagt da zu stören? »Was gibt es?«
    »Ich begrüße Sie, Miß Mabel«, sagte Ting höflich. »Nur weiße Wolken mögen über Ihren Himmel ziehen …«
    »So ist es. Einen Augenblick, ich gebe Ihnen die Nummer der Psychiatrie.«
    »Hier Kommissar Ting Tse-tung. Mordkommission. Bitte verbinden Sie

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