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Der Dschunken Doktor

Der Dschunken Doktor

Titel: Der Dschunken Doktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Booten. Schon nach dem ersten Rundblick ahnte Dr. Merker, daß über die Hälfte der Kranken in ein Hospital gehörte. Aber wer sollte sie aufnehmen, wer sollte es bezahlen? Und vor allem: Wem gelang es, sie überhaupt an Land zu bringen? Auf dem Wasser geboren werden – auf dem Wasser sterben –, das war der Kreislauf, den man kannte.
    »Fangen wir an!« wiederholte Dr. Mei. »Ich bin bereit.« Er zeigte auf den Mann in der Zeltplanentrage und winkte. Die Urgroßmutter, noch immer auf den Knien liegend, senkte das Haupt und küßte die Holzplanken. Zwei kräftige Männer, die Nachbarn, trugen den Kranken an Dr. Mei und Dr. Merker vorbei die Treppe hinab. Im gleichen Augenblick legte unten an der Dschunke ein kleines Motorboot ab und knatterte davon.
    »Jetzt sollen Sie mal was erleben, Fritz!« sagte Dr. Mei. »Da unten saust der Götterbote ab und wird verkünden: Dr. Mei ist nüchtern und behandelt! In einer Stunde kleben die Kranken an den Bordwänden wie Bienenschwärme. Sie haben einen erfüllten Tag vor sich!«
    »Ich habe mich noch gar nicht erkundigt, was mir zur Verfügung steht. Den Röntgenapparat können wir vergessen. Wie ist es mit dem Instrumentarium? Haben Sie wenigstens ein Membranstethoskop?!«
    »Alles da, Fritz.«
    »Verrostet und unbrauchbar, nicht wahr?«
    »Nein! Das einzige, was ich geputzt habe, waren die Instrumente. Aus purer Anhänglichkeit und Pietät. Ich war mit meiner ganzen Seele Arzt.«
    Die beiden Träger kamen zurück an Deck. Mit ihnen erschien Yang, in ihrem engen, roten geschlitzten Kleid völlig unpassend in dieser Massierung von Elend.
    »Ich habe ihn auf die Liege gelegt«, sagte sie. Ihr Haar hatte sie glatt nach hinten gekämmt und zu einem Knoten geschlungen. Sie sah wunderbar aus. »Er hat starke Schmerzen.«
    »Wir kommen sofort.« Dr. Merker warf noch einen Blick auf die Schar der Wartenden und rechnete schnell, daß er damit bis Mittag zu tun hatte. Dann lief er die Treppe hinunter und ging in den Behandlungsraum. Dr. Mei folgte wenig später. Er hatte noch etwas zu den Kranken gesagt.
    »Vertraut ihm!« hatte er gesagt. »Meine Seele fließt in ihn über. Nur sein Körper ist fremd. Aber heilt ein Körper? Die himmlische Gnade heilt, und diese Gnade ist in ihm. Seht ihn an wie einen von uns …«
    Dr. Merker hatte mit der Untersuchung des schmerzgekrümmten Mannes begonnen. Schon nach wenigen Abtastungen und Reflexuntersuchungen wußte er, daß ihm hier auf der Dschunke nicht mehr zu helfen war. Dr. Mei setzte sich an die Füße des Kranken auf die Liege.
    »Der Mann muß sofort ins Hospital!« sagte Merker.
    »Sie sprechen unmögliche Dinge gelassen aus …«
    »Das ist ein Gallenverschluß. Gallensteine haben den Ausgang völlig blockiert, die Gallenblase ist entzündet.«
    »Wir verschreiben ihm einen Tee«, sagte Dr. Mei ruhig.
    »Nein! Der hilft doch nicht! Sie können unter Umständen Nierensteine und Nierengrieß ausschwemmen, auch Blasensteine, aber keine Gallensteine.«
    »Das weiß ich auch! Ich bin kein medizinischer Idiot! Aber Sie, Fritz! Schon beim ersten Fall schlagen Sie Purzelbäume! In ein Hospital! In welches denn? In Ihr vornehmes Queen Elizabeth?«
    »Warum nicht?«
    »Machen Sie das mal dem Chefarzt klar! Ein Wasserchinese im weißen Klinikbett. Da lachen meine Mäuse im Schiff!«
    »Wo kann man hier telefonieren?«
    »Telefonieren? Sie begreifen noch immer nicht, wo Sie sind! Die einzigen Telefone auf dem Wasser haben drüben das Restaurantschiff und die Polizeiboote, die hier Patrouille fahren.«
    »Dann telefoniere ich von einem Polizeiboot aus.«
    »So etwas Verrücktes sieht Ihnen ähnlich! Angenommen, Sie bekommen ein Bett. Der Mann will nicht.«
    »Er wird hier sterben. Elend sterben!«
    »Aber er stirbt auf seiner Dschunke! Das ist wichtig!«
    »Nein! Das ist sträflicher Blödsinn!«
    »Fritz, denken Sie um. Denken Sie an die Affenhirndelikatesse … das Sterben ist natürlich.«
    »Aber er kann ja weiterleben! Nach drei Stunden Operation und vierzehn Tagen Bettruhe läuft er wie neugeboren herum. Das wissen Sie doch!«
    »Versuchen Sie es, Fritz.« Dr. Mei hob beide Hände. »Eine zugestopfte Galle ist Schicksal. Man nimmt es hin.«
    »Ich nicht! Mei, machen Sie dem Mann klar, daß er noch heute aufs Festland in ein Hospital kommt.«
    »Sagen Sie's ihm selbst.«
    »Mit meinem schrecklichen Chinesisch?«
    »Er wird Sie verstehen.«
    Dr. Merker beugte sich über den Kranken. Der starrte ihn mit fiebrigen Augen an, seine Lippen waren

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