Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
Vom Netzwerk:
sicher.«
    Das hoffe sie jedenfalls. Othman hatte ihr erzählt, dass die Grünbluter die Schluchten mieden. Warum und wieso wusste er auch nicht. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass sie nicht gern kletterten.
    So gern sie auf diese Begegnung mit den Grünblutern verzichtete hätte, brachte sie doch auch etwas Gutes mit sich: Keiner der Halblinge beschwerte sich mehr über das waghalsige Unternehmen, hinunter in die Schlucht zu klettern. Wie befreit von allen Zweifeln, knoteten sie die Seile zusammen, richteten die Trageschlaufen her und begannen, einen nach dem anderen abzuseilen.
    Oda war die Erste, danach folgte Rubinia und dann die anderen, die als Posten für die Plateaus ausgewählt worden waren. So ging es von Plateau zu Plateau: Drei Hablinge blieben zurück und ließen die jeweils anderen zum nächsten tiefer liegenden Felsvorsprung hinab. Vom untersten, auf dem Rubinia, Oda und Gunder Posten bezogen, waren es nur dreißig Fuß bis zum Grund. Im Laufe der Zeit hatte sich der zerklüftete Boden der Schlucht mit herabstürzenden Steinen und vom Regen hinuntergespültem Schlamm gefüllt und war geebnet worden. Da die Seufzerschlucht von Ost nach West verlief, drang während der Sonnenstunden immer etwas Licht bis nach unten und gestattete so anspruchslosen Pflanzen, sich hier anzusiedeln. Farne, Moose und einige verkümmerte Bäume hatten hier eine Heimat gefunden.
    »In zwei Stunden wird es dunkel«, sagte Rubinia. »Bis dahin müssen alle unten sein. Es scheint dort genügend Brennholz herumzuliegen, damit wir ein Feuer machen können und es wenigstens etwas warm haben.«
    »Vielleicht war es doch nicht so eine gute Idee von Othman, uns hier hinunterzuschicken. Mittlerweile weiß jeder im Düsterkrallenwald, dass wir uns hier verstecken. Und mit ›jeder‹ meine ich auch die Grünbluter. Was, wenn sie hierherkommen? Dann sitzen wir in der Falle.«
    Rubinia schlug mit dem losen Seilende in ihrer Hand nach Gunder.
    »Pass bloß auf, wem gegenüber du deine finsteren Gedanken äußerst. Es war schon schwer genug, sie alle zusammen hierherzubringen. Wenn du sie jetzt mit deinem Geschwätz verängstigst und sie in die vier Winde davontreibst, war alles umsonst. Dann kann ihnen keiner mehr helfen. Dein Gejammer ist wie Salz auf Apfelpfannkuchen.«
    »Und wer hilft ihnen jetzt?«, wollte Gunder wissen.
    »Unser Zusammenhalt wird uns schützen. So wie er es immer getan hat.«
    Rubinia wusste, dass es nur ein schwaches Argument war, aber die Gemeinschaft war das Einzige, das sie hatten. Sie war die herausragendste Stärke der Halblinge. In der Vergangenheit hatte sie ihr Zusammenhalt durch viele Krisen und Gefahren gebracht, und wann immer doch einmal etwas Schlimmes passiert war, hatte ihnen die Gemeinschaft auch darüber hinweggeholfen.
    Eigentlich war es paradox, dass gerade sie dieses Argument angeführt hatte, denn schließlich war sie es, die aus Eichenblattstadt fortgegangen war und der Gemeinschaft den Rücken gekehrt hatte.
    Rubinia blieb keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn vom oberen Plateau wurden bereits die nächsten Eichenblattstädter herabgelassen.
    Kwimm Bollwerk war der Erste, der einen Fuß auf den Grund der Seufzerschlucht setzen sollte. Danach kamen Jost Grünblatt und Wende Furtfuß.
    Alles klappte wie am Schnürchen, was Rubinia in ihrem Gefühl bestärkte, ein guter Anführer zu sein.
    Es war merkwürdig. Jahrelang hatte sie sich um nichts anderes gekümmert, als Essen zuzubereiten, Wäsche zu machen und im Krähenturm aufzuräumen. Nun war sie kaum ein paar Tage zurück bei ihresgleichen, und schon hatte sie den Drang, etwas Bedeutendes zu vollbringen. Ganz tief in ihr drinnen schlummerte der Wunsch, ein paar Grünbluter würde es in die Schlucht verschlagen und ihr somit die Möglichkeit geben, die Halblinge gegen sie in die Schlacht zu führen.
    Doch das war verrückt! Wie konnte sie nur daran denken, für einen albernen Kindheitstraum das Leben ihrer Freunde und Familie aufs Spiel zu setzen. Sie durfte sich solchen albernen Tagträumereien nicht hingeben. Sie musste dafür sorgen, dass alle diesen Albtraum unbeschadet überstanden.
    Oda legte Wende gerade die mit Stoff umwickelte Schlaufe um die Taille und gab Anweisungen für das letzte Stück Abstieg, da hörten sie die Hilferufe von unten.
    Rubinia kniete sich an den Rand des Plateaus und stierte hinab. Kwimm und Jost standen Rücken an Rücken auf einem größeren Felsbrocken und versuchten, sich mit morschen Ästen

Weitere Kostenlose Bücher