Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
zu packen. Jaulen und Knurren verband sich zu einer Kakophonie. Blut bespritzte das graue Fell.
Das war Rubinias Moment. Sie sprang vor, das Schwert mit beiden Händen umklammert, und warf sich auf das Bündel aus Fell, Krallen und Zähnen. Mit ihrem ganzen Gewicht stach siedie Klinge durch die abgemagerten Körper der Wolkenzähne, bis das Jaulen und Knurren erstarb. Der Schwertknauf drückte unangenehm in Rubinias Magengrube. Dennoch blieb sie liegen, wo sie war. Sie fürchtete, sobald sie sich bewegte, würden die Wölfe über sie herfallen und sie augenblicklich zerfleischen. Sie konnte nicht glauben, dass die Bestien tot waren, dass sie sie bezwungen hatte, auch wenn sie dabei mehr Glück als Verstand gehabt hatte. Selbst noch, als sie aus dem Augenwinkel Kwimm und Jost heranstürmen sah und Odas Rufe vom Plateau zu ihr herunterdrangen, blieb sie regungslos liegen.
Rubinias Anspannung ließ langsam nach, aber mit dem Loslassen setzte die Angst ein. Sie erschrak über sich selbst. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Was hatte sie veranlasst, sich zwei Wölfen in den Weg zu stellen? Kwimm und Jost hätten sie mit ihren Stöcken auf Abstand halten können, während die anderen vom Plateau Steine geworfen hätten. Es hätte vollkommen gereicht, sie zu verscheuchen. Später hätten sie einfach Feuer entzündet, und nach ein paar Tagen wäre das Problem mit den Wölfen von selbst verschwunden. Rubinia begann zu weinen.
»Ich bin kein General«, schluchzte sie.
33. MILO
Milo hatte nicht geglaubt, in seinem Leben auf jemanden zu treffen, der noch mehr Rastlosigkeit beim Reisen zeigte als Dorn. Die Gruppe von Elfen belehrte ihn eines Besseren. Die ganze Nacht schon waren sie auf den Beinen, von ihren Wächtern unbarmherzig vorwärtsgetrieben. Nicht einmal zum Trinken durften sie anhalten. Und in noch etwas waren die Elfen Dorn weit voraus: Wortkargheit. Nur die nötigsten Kommandos wurden ausgetauscht, und das vor allem über Gesten und Blicke. Sie zu verstehen war nicht sonderlich schwierig, da die Elfen lediglich wollten, dass man ihnen folgte. Was passieren würde, wenn sich einer weigerte, konnte Milo sich nur ausmalen. Dass die Elfen nicht sonderlich zimperlich waren, hatte er spätestens erkannt, als sie ohne viel Aufhebens die Pfeile aus den Zwergen herausgezogen und die Bärtigen im Moor versenkten hatten.
Insgesamt waren es acht Elfen. Vier liefen voraus, vier hinterher. Ihre Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, gab ihnen den entscheidenden Vorteil und ließ jeden Gedanken an Gegenwehr im Keim ersticken.
Ab und zu hörte Milo ihre Entführer miteinander tuscheln. Die elfische Sprache klang selbst geflüstert und bruchstückhaft noch wie ein melodischer Singsang. Bei Anbruch der Dämmerung erweiterten die Elfen den Abstand zu ihren Gefangenen und nahmen die Bögen in Anschlag. In ihren Gesichtern war kein Groll oder Zorn zu entdecken, dennoch zweifelte Milo nicht einen Moment daran, dass sie bei einem Fluchtversuch sofort schießen würden. Abgesehen davon wäre er ohnehin nicht in der Lage gewesen, wegzulaufen, da ihn seine Beine kaum noch trugen. Milo machte sich aber nichts vor. Die Vorsichtsmaßnahmen galten nicht ihm, sondern Dorn. Der Söldner zeigte keinerlei Erschöpfung. Sein Blickwar hellwach. Er beobachtete die Elfen genau und schien nur auf eine Gelegenheit zu lauern, einen Befreiungsversuch zu starten. Seine Chancen standen gar nicht so schlecht, da die Elfen ihnen weder Ausrüstung noch Waffen abgenommen hatten. Trotzdem hoffte Milo, es würde nicht dazu kommen. Immerhin brachten die Elfen sie nach Isfallar, der Stadt der Elfen, genau dorthin also, wo sie hinwollten. Übersetzt in die Sprache der Halblinge hieß Isfallar so viel wie Blätterheim.
»Werden die denn nie müde?«, beschwerte er sich bei seinen Gefährten. »Irgendwann müssen doch auch Elfen mal schlafen, oder?«
»Sie kommen tagelang ohne Schlaf aus«, erklärte Senetha. »Es reicht ihnen, wenn sie für wenige Minuten meditieren. Und selbst das können sie, während sie laufen.«
»Nun denn«, stöhnte Milo, »dann wird es ihnen wohl auch reichen, an Essen zu denken, um satt zu werden.« Eigentlich hatte das ein Scherz sein sollen, doch als er es aussprach, klang es erschreckend wahrscheinlich.
Trotz Hunger, Durst und Erschöpfung trieben sie Milo und die beiden Menschen weiter durchs Moor, ohne ihnen eine Pause zu gönnen. Das Tageslicht machte es einfacher, auf dem schmalen Pfad zu bleiben, den die Elfen vorgaben, damit
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