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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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sie nicht in den Sumpf gerieten. Mittlerweile konnte Milo schon die großen Seelenbäume erkennen, die im Osten des Moores standen, und die die Elfen als ihre Heimat betrachteten. Irgendwo hoch oben in den Baumkronen hatten sie ihre Hütten aus Blattwerk und Ästen errichtet.
    »Einen halben Tag noch«, sagte Dorn, der die Bäume ebenfalls entdeckt hatte. »Dann werden wir wissen, was sie mit uns vorhaben.«
    »Was sollen sie schon vorhaben? Sie haben uns sogar unsere Waffen gelassen«, gab Milo zu bedenken.
    Dorn grunzte angewidert.
    »Hier hat nur einer eine Waffe«, gab Dorn zurück, »und diehaben sie mir nur gelassen, um mir zu zeigen, dass sie überlegen sind, und dass ein Stück Stahl daran nichts ändert.«
    »Sie haben dich eben noch nicht kämpfen sehen.«
    »Das werden sie auch nicht«, erwiderte der Söldner verbittert. »Ein Schwert gegen einen Bogen ist eine schlechte Wahl, wenn man es mit Elfen zu tun hat. Ich wäre mit Pfeilen gespickt, bevor ich an sie herangekommen bin.«
    »Von Pfeilen gespickt, muss es heißen«, berichtigte Milo. »Gespickt wird mit Speck, ein Hasenrücken zum Beispiel. Die Spicknadeln, in diesem Fall die Pfeile, dienen nur dazu, die Speckstreifen unter die Haut zu bringen, damit sie das Fleisch saftig halten.«
    »Du kleiner Schlaumeier kannst mein Schwert gerne haben, wenn du es versuchen willst.«
    »Ich glaube nicht«, schnaubte Milo, »an mir ist nicht genug dran für einen guten Braten. Für eine Suppe würde es vielleicht reichen.«
    »Wir essen kein Fleisch«, erklärte plötzlich einer der Elfen von hinten.
    Milo war verwundert über die Antwort wie auch über die recht freundlich klingende Gesprächsaufnahme. »Warum nicht?«
    »Fleisch ist unrein«, sagte der Elf.
    »Ohne Fleisch keine gute Soße«, gab Milo zu bedenken.
    Der Elf antwortete nicht, und Milo traute sich nicht, weiter zu bohren. Dies war zumindest ein Anfang der Verständigung, und er hatte nicht vor, dies mit unsinnigen Diskussionen über die Zubereitung von Essen kaputtzumachen.
    Es war bereits Nachmittag   – wenn man es denn so nennen konnte, denn ein Mittagessen, geschweige denn eine kurze Rast, hatte es nicht gegeben   –, als sie die ersten großen Seelenbäume erreichten. In Milos Vorstellung waren die Bäume höher gewesen, was aber nicht hieß, dass sie in Wirklichkeit klein waren. Sie überragten jeden anderen Baum im Düsterkrallenwald, Milo schätzte sie auf dreihundert Fuß. Der Durchmesser eines jeden Stammes entsprach dem des Hauses, in dem Milo mit seiner Familie lebte.Doch damals, als seine Mutter noch lebte und ihnen Geschichten von den Elfen erzählte, hatte es sich immer angehört, als wenn die Heimat der Elfen zwischen den Wolken läge. Dies war eindeutig nicht der Fall, nicht einmal bei Gewitter, wenn die Wolken tief hingen. Milo war dennoch nicht enttäuscht. Die Seelenbäume waren hundertmal älter als der Düsterkrallenwald. Ihre Baumkronen ragten weit ineinander und bildeten ein dichtes Netz aus Ästen und Blättern, obwohl die einzelnen Stämme mindestens hundert Schritt auseinander standen. Erst auf den zweiten Blick sah man das Gewirr aus Treppen und Hängebrücken hoch oben zwischen den Ästen. Die Behausungen der Elfen sahen aus wie bizarre Kokons aus Blättern und Zweigen, die wie übergroße Früchte in den Baumkronen hingen.
    »Blätterheim muss riesig sein«, flüsterte Milo zu sich selbst.
    »Zweitausendfünfhundert Krieger leben hier und noch einmal doppelt so viele Frauen und Kinder«, sagte einer der Elfen, die jetzt wieder zu ihren Gefangenen aufgeschlossen hatten.
    Erneut fiel Milo auf, wie gut das Gehör der Elfen war, und wie leise sie sich bewegten. Und noch etwas wurde ihm bewusst: Es war keine Freundlichkeit, die in der Stimme des Elfen mitschwang, wie anfangs vermutet. Es war Gleichgültigkeit und Überheblichkeit.
    Doch selbst diese ernüchternde Erkenntnis konnte den atemberaubenden Eindruck der Elfenstadt nicht schmälern. Milos Füße tauchten bei jedem Schritt in ein weiches Moosbett ein und schienen ihn die Strapazen der letzten Tage völlig vergessen zu lassen. Es war, als hätte diesen Waldboden noch nie ein Lebewesen betreten. Kein Halm oder Zweig war abgeknickt, kein Pfad getrampelt, und kein einziges verwelktes Blatt störte die Schönheit der gleichmäßig grünen Fläche.
    Die drei wurden von den Elfen tiefer in den Hain aus Seelenbäumen gebracht. Bislang zeigten sich ihnen keine weiteren Elfen. Nur ein paar kaum erkennbare Bewegungen hoch

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