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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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fast alle Ecken dieser Welt bereist, und mein Gefühl, was Menschen, Elfen und Zwerge betrifft, hat mich noch selten getäuscht. Ihr würdet Euch wundern, was ich über Euch alles so berichten könnte, obwohl wir uns nur seit wenigen Augenblicken kennen.«
    Jetzt wandte sich der Reisende doch vom Tresen ab und blickte den Händler gebannt an.
    »Dann lasst mal hören«, sagte er mit tiefer, grollender Stimme.
    Der Händler wirkte im ersten Moment verdutzt, doch einenAugenblick später erlangte er seine Fassung zurück und setzte ein herausforderndes Lächeln auf.
    »Ihr denkt, Ihr könnt mit Eurer Maskerade die Leute hinters Licht führen, doch ich habe Euch durchschaut«, protzte er. »Die Kleidung, die Ihr tragt, wie Ihr Euch bewegt und auch diese merkwürdige Vorliebe für roten Wein verraten Euch.«
    »Nur weiter so, mein Freund«, spornte der Reisende ihn an.
    Der Händler ließ es sich nicht nehmen, der Aufforderung nachzukommen. Zu weit war er schon gegangen, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen und sich der Lächerlichkeit preiszugeben.
    »Wo soll ich nur anfangen, es ist alles so offensichtlich?«, höhnte er. »Schon allein die Schuhe, die Ihr tragt. Das Leder: Es ist feinstes Ziegenleder, und trotzdem hat sich jemand die Mühe gemacht, es in Salzlake einzulegen und so lange zu kneten, bis es weich wie Samt ist. Dann die Sohlen, die sich an der Hacke noch nicht einmal ansatzweise abgelaufen haben. Ich würde behaupten, Ihr seid jemand, der nicht viel läuft, der es sich aber dennoch leisten kann, gutes Gold für gutes Schuhwerk hinzulegen. Diese Art Spitzschuh ist im Westen des Landes sehr verbreitet. Als Nächstes ist mir Euer Ring an der rechten Hand aufgefallen, den Ihr so bemüht seid, in Euren Ärmeln zu verstecken. Ich glaube, ich liege nicht ganz falsch, wenn ich behaupte, es ist ein Gilden- oder Kleruszeichen. Da ich es nicht kenne, kommt es nicht von hier und auch nicht aus dem Süden des Landes oder aus der Nähe von Ackertal. Ihr scheint vorgeben zu wollen, jemand zu sein, der Ihr nicht seid.«
    Der Reisende machte eine kreisende Bewegung mit der Hand, um den Händler zum Fortfahren zu bewegen. Mittlerweile wurde das Gespräch auch von den anderen Gästen verfolgt.
    »Ihr habt es so gewollt, aber beschwert Euch im Nachhinein nicht, wenn ich Dinge preisgebe, die Ihr von Euch selbst noch nicht einmal wusstet«, lachte der Händler, und einige der Gäste stimmten mit ein. Nicht so der Reisende. »Euer trister Umhang dient allein dazu, das zu verbergen, was ihr darunter tragt. Ein winziges Stück dunkelblauer Saum mit silbernen Stickereien schaut darunter hervor. Ihr solltet besser auf Eure Tarnung achten. Auch dieses winzige Detail deutet auf einen Kleriker des Regor hin. Was Eure Vorliebe für Rotwein betrifft, ist sie ein weiteres Zeichen. An dem zögerlichen Nippen und den winzigen Schlucken erkenne ich, dass ihr eine süße Rebe bevorzugt. Etwas aus dem Süden des Landes oder vielleicht einen süffigen Messwein. Na, wie schlage ich mich?«
    »Bislang ganz ordentlich«, lobte der Reisende seinen Gesprächspartner.
    »Nun aber zu dem, was Euch wirklich verraten hat«, fuhr der Händler fort. »Es ist die Art, wie Ihr sprecht. Dieses rollende ›R‹ und die Betonung auf den Zischlauten. Eure Aussprache ist überaus betont, fast wie die eines Mimen oder von jemandem, der eine Menge anderer Sprachen beherrscht und sie auch oft anwendet.«
    Der Händler wartete eine Reaktion ab, doch diese blieb aus.
    »Und, was sagt Euch das alles?«, forderte der Reisende den Händler zu einem abschließenden Ergebnis auf. »Was denkt Ihr, wer ich bin und woher ich komme?«
    »Wenn ich richtig liege, gebt Ihr eine Lokalrunde aus. Die meisten Kehlen hier sind trocken geworden vom langen Zuhören.«
    Der Reisende nickte zustimmend.
    Der Händler tippte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger an die Unterlippe. Dann hatte er sich entschlossen: »Ihr seid ein Kleriker aus Lonnas oder von noch weiter östlich. Ihr habt wenigstens den Rang eines Bischofs, wenn nicht gar den eines Erzbischofs, und Ihr habt etwas zu verbergen. Ihr seid   …«
    Der Händler machte eine kurze Pause, um das letzte bisschen Spannung hervorzukitzeln, und wippte dabei mit dem Zeigefinger aufgeregt in Richtung des Reisenden.
    »Ihr seid der Kellermeister des Kardinals in Lonnas, und Ihr seid auf der Suche nach neuen Weinhändlern, die Eure Vorräte im Tempel der Gunst wieder auffüllen, bevor der Winter hereinbricht.«
    Das Publikum hielt

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