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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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gewissen Status inne und erhielten den gebührenden Respekt innerhalb der Dorfgemeinschaft, doch sie wurden ebenso gern wegen ihrer Weltfremdheit belächelt. Niemand schien sich wirklich um ihre Belange zu kümmern.
    Meister Gindawell hatte Milo einiges über die Erwartungen und Tätigkeiten erzählt, die das Amt eines Priesters mit sich brachte,doch über seine eigentlichen Forschungen hatte er nie etwas verlautbaren lassen. Hier stand, er war ein Gelehrter des Zeitalters der Verblendung gewesen. Alles, was Milo darüber wusste, war, dass diese Zeit über dreihundert Jahre zurücklag und dass die Epoche mit den großen Glaubenskriegen endete. Welcher Glauben und welche Götter damals verehrt wurden, wusste er nicht. Das Wissen darüber war heidnisch und verboten, deswegen wunderte es ihn, dass ein Gelehrter wie Gindawell sich damit beschäftigt hatte.
    Die Aufzeichnungen bestanden aus einer fast zweihundertseitigen Blattsammlung, die sorgfältig mit Lederschlaufen gebunden war, sodass man jederzeit neue Seiten hinzufügen konnte. In den ersten Jahren hatte sich der Meister anscheinend damit begnügt, Absätze aus verschiedenen Schriften zu kopieren und seinerseits mit Stellungnahmen und neuen Thesen oder Gedanken zu bereichern. Milo fehlte die Zeit wie auch genügend Sachverstand, sich genauer damit zu beschäftigen. Er suchte nach Zeichnungen und Symbolen neueren Ursprungs. Also blätterte er die Unterlagen Seite für Seite flüchtig durch. Erst im letzten Viertel schien es interessant zu werden. Eine Seite befasste sich nur mit der Darstellung von Blitzen, dem Symbol von Cephei, der Göttin aller Halblinge. Die Blitze waren gegabelt, entweder symbolhaft dargestellt oder fast naturgetreu. Einige davon hätten auch aus Milos Feder stammen und zwanzig Jahre alt sein können, so kindlich sahen sie aus. Meister Gindawell war eindeutig ein Mann der Gedanken. Cephei schien ihm weder eine Hand zum Zeichnen noch eine Stimme zum Singen gegeben zu haben. Letzteres wusste Milo von den wenigen Tempelgängen, die er absolviert hatte, als Taufen oder Namenstage gefeiert wurden.
    Es folgte eine Reihe anderer Zeichnungen und Symbole, die eindeutig heidnischen Charakter besaßen. Die meisten waren weder betitelt noch in irgendeiner Form hinweisträchtig. Eine Seite war voller Kreuze. Dicke Kreuze, dünne Kreuze, geradlinige, geschwungene und solche, die als Rosenranken oder mit Pfeilspitzenendeten. Mitten hineingeschrieben hatte Gindawell den Namen Regor. Das war des Gott, den die Menschen anbeteten, so viel wusste Milo. Das war aber auch schon alles. Er hatte sich nie viel mit den Glaubensrichtungen der anderen Völker beschäftigt.
    Die Elfen beteten irgendeine Naturgöttin an. Aber wie es schon immer die Art der Elfen war, ließen sie sich nur selten dazu herab, anderen von sich, ihren Gedanken oder ihrem Glauben zu erzählen.
    Die Zwerge machten im Gegensatz dazu keinen großen Hehl daraus, nicht sonderlich gläubig zu sein. Für sie zählte nur das, was sich jemand mit seinen eigenen Händen erarbeitete.
    Und was die Trolle, Goblins und Orks angingen, war Milo froh, dass er bislang nicht allzu viele Möglichkeiten gehabt hatte, sich mit ihnen über ihren Glauben zu unterhalten. Genau genommen, war seine Begegnung mit der Trollfrau und dem Goblinschamanen das erste und hoffentlich auch letzte Zusammentreffen mit Grünblutern gewesen. Dennoch war Milo heilfroh, dass es überhaupt zu einem Gespräch gekommen war. Nicht, weil er dadurch seinen unerschöpflichen Drang nach Weisheit befriedigt hatte, wie es bei Meister Gindawell der Fall gewesen wäre, sondern weil die meisten Begegnungen mit ihnen gewöhnlich anders verliefen   – blutiger und endgültiger.
    Besser, mit ihnen zu reden, als dass sie sich darüber unterhielten, ob man Halbling lieber kochte oder am Spieß briet, und ob das Fleisch zarter wurde, wenn man es vorher ordentlich durchklopfte.
    Die nächsten Seiten blätterte Milo schnell durch und übersprang auch einige. Vieles von dem, was in den Aufzeichnungen stand, war wirr und unverständlich, und die Skizzen einfach nur schlecht. Doch dann schlug er eine der letzten Seiten auf, und alles bekam einen Sinn. Milo stockte der Atem. Auf dem Papier waren vier Symbole mit Kohlestift gezeichnet. Jedes sah etwas anders aus, und dennoch war es vier Mal das gleiche Zeichen. Ein Kreis, der von mehreren Linien und Kurven durchzogen oder durchbrochenwurde. Es war dasselbe Symbol wie auf dem Ring an seinem Finger, den er von

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