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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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sich die Schaulustigen, unter ihnen auch die ersten Stadtwachen.
    »Wir müssen weg von hier«, stammelte Dorn.
    Niemand schien ihm zuzuhören. Er packte den Mann neben sich grob an den Schultern. »Wir müssen weg von hier!«, schrie er ihn an.
    Der Schreiberling sah ihn mit großen Augen an. »Wir haben sie fertiggemacht«, sagte er wie in Trance, immer noch überwältigt von ihrem Sieg. »Sie werden sich hüten, sich hier noch einmal sehen zu lasen. Wir haben ein Zeichen gesetzt. Ein Zeichen für alle, die es leid sind, sich dieser Priesterschaft weiterhin zu unterwerfen. Die Bürger von Zargenfels werden sich erheben und sich befreien.«
    Dorn hätte schwören können, dass aus dem Mann die Stimme von Narik sprach. Es waren nicht nur die Worte, sondern auch die Überzeugung, die darin mitschwang.
    »Wenn wir nicht schleunigst von hier verschwinden, werden wir uns das nächste Mal erheben, wenn uns ein Nekromant aus unseren Särgen ruft. Ich glaube kaum, dass die Wachen unsere Befreiung mit denselben Augen sehen. Für sie sind wir nur Männer, die eine Revolte angezettelt und ein Dutzend Unschuldiger auf dem Gewissen haben.«
    »Sie haben fast fünfmal so viele von uns umgebracht«, wandte der Schreiberling ein.
    »Das wird uns dann nicht nur an den Galgen, sondern auchnoch ihren Spott bringen. Kommt jetzt, die brennenden Trümmer werden die Wachen nicht mehr lange zurückhalten.«
    Dorn zog den Mann hinter sich her, als er zurück in die Gasse zu Narik und Senetha lief. Die andern folgten halbherzig.

18. MILO
    Milo saß an dem kleinen Tisch in dem Zimmer im ersten Stock, das ihm Ningoth zugewiesen hatte, und starrte durch das Fenster in den Nachthimmel. Er konnte nicht schlafen. Das war aber auch nicht weiter verwunderlich, denn er war ja erst gegen Mittag aufgestanden. Sein Marsch durch den Düsterkrallenwald hatte ihn anscheinend mehr erschöpft, als er sich eingestehen wollte. Er hätte sich selbst ohrfeigen können. Sein Bruder wurde von einer Horde Grünbluter festgehalten, und er lag seelenruhig in einem weichen und warmen Bett. Das letzte Mal, dass er so lange geschlafen hatte, war, als er mit Bonne gewettet hatte, drei Krüge Bier leeren zu können, ohne austreten zu müssen. Er hatte gewonnen, doch das schnelle Trinken hatte ihn prompt den nächsten Tag verschlafen und zu spät zur Sonntagsmesse erscheinen lassen. Zur Strafe hatte er den ganzen Nachmittag Kartoffelkäfer aus dem Vorgarten sammeln müssen   – zwei Einmachgläser voll.
    Eigentlich hatte er nach dem ausgiebigen Schlaf schnell seine Sachen packen, Ningoth um etwas Proviant bitten und sich eine Ausrede einfallen lassen wollen, warum er weiter musste. Leider war daraus nichts geworden. Seine Beine hatten sich schwer wie Blei angefühlt und in seinem Kopf hatte sich alles gedreht. Zudem hatte er befürchtet, der Schnitt an seiner Hand würde sich entzünden. Also war er einfach liegen geblieben.
    Ningoth war unterdessen den ganzen Tag auf den Feldern vor dem Haus zugange gewesen und hatte Rüben, Weißkohl und Kartoffeln geerntet, die er auf einen Karren legte. Als er am Abend zurück ins Haus gekommen war, schien er nicht sonderlich überrascht gewesen zu sein, Milo immer noch vorzufinden. Die Gesprächigkeit des Vortages war verflogen. Sie hatten gemeinsam zu Abend gegessen, noch etwas getrunken, sich über Alltägliches unterhalten, während Milo vor dem Haus noch eine Pfeife paffte, die Ningoth ihm angeboten hatte. Dann waren beide auf ihre Zimmer gegangen.
    Und da lag er nun   – wach und voller Gedanken. Milo hatte das Gefühl, ein Knäuel bunter Fäden in den Händen zu halten und nicht zu wissen, wie man sie entwirrte, geschweige denn, wie man sie zusammenknüpfte, damit sie ein Seil ergaben. Aber eines wusste er: Alles, was passiert war, gehörte irgendwie zusammen. Es konnten nicht nur lauter Zufälle sein, die ihn und seinen Bruder aus ihrem bisherigen Leben gerissen hatten, und die es unmöglich machten, dahin zurückzukehren. Was geschehen war, konnte nicht wieder rückgängig gemacht werden, und es würde ihnen bis zum Lebensende anhängen, egal ob sie von aller Schuld freigesprochen wurden oder nicht.
    Milo erinnerte sich noch an Onkel Tugget, den Bruder seines Vaters. Milo musste sieben oder acht gewesen sein, als Onkel Tugget verkündete, er wolle in die Berge gehen und genau wie die Zwerge dort nach Gold und Edelsteinen schürfen. Wochenlang konnte er aus seinem Zimmer zuhören, wie sein Vater auf Onkel Tugget eingeredet

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