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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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hörte sich in irgendeiner Form freundlich noch nach einer Bitte an. Einen Moment herrschte eine bedrückende Stille.
    »Verzeiht bitte, ich hatte Euch nicht gleich erkannt«, hörte Milo Ningoth sagen. »Kommt doch herein, wärmt Euch am Feuer, und ich setze derweilen einen frischen Tee auf.«
    Schwere Schritte knarrten über den Boden, dazu gesellte sich ein kratzendes Geräusch wie von den Pfoten eines wilden Tieres, die über den Dielenboden schrammten.
    »Geh in die Ecke, Gratz. Mach Platz. So ist brav«, sagte der Fremde.
    »Mögt ihr Fencheltee?«
    »Macht Euch keine Umstände, es reicht vollkommen, wenn Ihr Euch zu mir setzt, ein wenig mit mir plaudert, eine Flasche von Eurem guten Roten öffnet und mit mir anstoßt.«
    Ein Kessel wurde zurück auf den Herd gestellt, drei knarrende Schritte, ein Tonkrug schrammte über das Regal, ein Dutzend weiterer Schritte, ein Stuhl wurde zurückgezogen und zwei Becher auf den Tisch gestellt.
    Milo streifte sich den Ring wieder über den Finger. Er schlichzur Tür und öffnete sie vorsichtig einen Spalt. Aus dem Zimmer im ersten Stock konnte man nur einen kleinen Teil des unteren Raumes einsehen. Alles, was Milo erkannte, waren zwei leere Tische und die verwaiste Kanne mit heißem Wasser auf dem Herd.
    »Was führt Euch von so weit her? Ihr sucht doch nicht nur eine Unterkunft für die Nacht und etwas Gesellschaft«, begann Ningoth die Unterhaltung.
    Wieder herrschte einen Augenblick lang Schweigen.
    »Ihr solltet den Wein länger atmen lassen, bevor ihr ihn aus dem Krug in den Becher gebt. Wisst Ihr, der Geruch des Weines, der einem in die Nase zieht, wenn man den Becher an die Lippen setzt, ist ebenso wichtig wie der eigentliche Geschmack.«
    Wieder herrschte für kurze Zeit Stille.
    »Ihr seid doch nicht gekommen, um mir etwas über Wein zu erzählen.«
    »Nein, natürlich nicht«, antwortete der Besucher. »Ich will Euch nicht belehren, ich brauche keine Unterkunft für die Nacht, und ich suche auch keine Gesellschaft.«
    »Was wollt Ihr dann von mir?«
    »Wisst Ihr noch, was ich Euch über den Regen draußen erzählt habe?«
    »Ich verstehe nicht«, stammelte Ningoth. »Was ist mit dem Regen?«
    Die Unterhaltung hatte etwas Bedrohliches an sich, befand Milo, und er war sich sicher, dass Ningoth das auch so sah.
    »Ihr solltet besser zuhören«, sagte der Besucher. »Ich habe Euch von dem Nieselregen erzählt, diesen kleinen, kaum spürbaren Tropfen. Sie sind so winzig, aber sie schaffen es dennoch, jeden Stoff zu durchdringen, egal wie fein er gewoben ist. Man spürt die Nässe erst, wenn der Regen die Kleidung völlig durchzogen hat. Mit einigen Völkern verhält es sich ebenso.«
    »Worauf spielt Ihr an? Sagt endlich, was Ihr sucht, und redet nicht in Rätseln mit mir, ich bin müde und habe keine Lust aufSpielchen.« In Ningoths Stimme schwang genauso viel Missmut wie Angst mit.
    »Ich rede von Halblingen«, erklärte der Fremde. »Dieses kleine Völkchen ist wie Nieselregen. Sie leben unter uns, aber man bemerkt sie kaum, weil sie sich nur wenig für die Belange der anderen Völker interessieren. Eigentlich ein recht sympathisches Völkchen, aber wie auch bei allen anderen gibt es immer wieder welche, die aus der Art schlagen. Diese Exemplare mischen sich ein, stellen Fragen und stampfen mit ihren klobigen Füßen dorthin, wo sie nichts zu suchen haben. Und genau wie den Nieselregen bemerkt man sie erst, wenn sie durch das Netz an Verflechtungen geschlüpft sind.«
    »Ich habe schon lange keine Halblinge mehr gesehen«, sagte Ningoth schroff.
    »Ich habe noch gar nicht nach ihnen gefragt, und schon verneint Ihr, sie gesehen oder ihnen Unterschlupf gewährt zu haben. Ich finde, wir sollten uns nicht belügen. Wir sitzen so gemütlich bei einem Glas Rotwein zusammen und wärmen uns am Feuer. Ihr solltet die Idylle nicht kaputtmachen. Das ist nämlich meine Aufgabe.«
    Jemand fegte die Becher vom Tisch. Milo konnte sehen, wie einer von ihnen über den Boden rollte und den Rest Wein als dünnes Rinnsal hinter sich herzog.
    »Ihr solltet lieber gehen. Ich bin Eure Spielchen leid«, schnaubte Ningoth.
    »Ihr habt es nicht verstanden«, sagte der Fremde in einem unangenehm ruhigen Tonfall. »Ich stelle die Fragen, und ich bestimme auch, wann ich wieder gehe. Ich frage Euch also jetzt, und überlegt Euch die Antwort gut: Habt Ihr einem Halbling Unterschlupf gewährt?«
    »Und wenn Ihr noch tausend Mal fragt, ich   … aargh!« Ningoth keuchte und hustete, so als ob er

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