Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
durchnässt, husteten, prusteten und schnappten gierig nach Luft. Abbey musste an ihren Vater denken, an die Todesangst, die er ausstehen würde. Er hatte das Wasser immer schon gehasst, selbst eine Bootsfahrt war ihm ein Gräuel, deshalb war auch die Überfahrt nach Australien unerträglich für ihn gewesen.
Die Helfer zogen immer mehr Männer aus der Grube herauf, manche mehr tot als lebendig. Weinend vor Freude nahmen ihre Angehörigen sie in Empfang, sanken neben ihnen auf den staubigen Boden und hielten sie fest umschlungen. Abbey und Meg wussten, dass die Zeit gegen sie arbeitete, und ihre Angst wuchs. Bei jedem Bergarbeiter, der geborgen wurde, hielten sie unwillkürlich den Atem an und fassten sich noch fester an den Händen, immer hoffend, dass es Finlay oder Neal wäre.
Hektisch wurde daran gearbeitet, die Pumpe wieder in Gang zu setzen. Einige Männer drängten die bangenden Angehörigen, die nur hilflos zuschauen konnten, zurück, damit sie den Arbeitern nicht im Weg standen und sie behinderten. Abbey hörte laute Gebete und das Schluchzen der Frauen und Kinder.
Dann endlich ertönte das Geräusch, auf das alle gewartet hatten: Die Morphett-Pumpe sprang stotternd wieder an. Einen Augenblick herrschte Stille, aber dann brandete Beifall auf.
»Jetzt wird alles gut, Meg«, sagte Abbey. Sie lachte und weinte zugleich und schob den Gedanken, die Rettung könnte vielleicht zu spät kommen, weit von sich.
Megs kummervolle Miene hellte sich ein klein wenig auf. »Das glaube ich erst, wenn ich meinen Neal sehe«, flüsterte sie. »Bitte, lieber Gott, verschone das Leben meines Jungen und das von Finlay!«
Abbey legte ihren Arm um Megs Schultern und drückte sie tröstend. Auch sie hatte nur einen Wunsch: ihren Vater und Neal lebend wiederzusehen. Sie betete inbrünstiger als je zuvor in ihrem Leben.
Die Bergleute, die aus der Grube geborgen wurden, waren über und über mit Schlamm bedeckt, sodass es schwierig war, sie zu identifizieren. Frauen stürzten herbei und riefen in grenzenloser Erleichterung den Namen ihrer Männer und Söhne, als sie sie erkannten. Für Meg und Abbey wurde das Warten zur Tortur. Sosehr sie sich für die Geretteten und ihre Familien freuten, die Enttäuschung, dass es nicht Finlay oder Neal war, der geborgen worden war, war kaum auszuhalten, und mit jeder Minute, die verstrich, schwand ein kleines Stück Hoffnung.
Plötzlich begann die Pumpe wieder zu stottern. Sie setzte ein paarmal aus, dann blieb sie endgültig stehen.
»O Gott, nein!«, jammerte Abbey entsetzt. Männer liefen hektisch hin und her, schrien einander Anweisungen zu. Jede Minute war kostbar, das war allen klar. Freiwillige meldeten sich und stiegen gegen den Willen des Geschäftsführers in die Grube hinunter, um nach Verunglückten zu suchen. Meg und Abbey wagten kaum zu atmen, während sie darauf warteten, dass die Helfer wieder heraufkamen. Zweimal brachten sie einen Bewusstlosen aus dem Schacht, der, als er wieder zu sich kam, schmutziges Wasser aushustete und röchelnd nach Luft schnappte. Aber bei keinem der beiden handelte es sich um Finlay oder Neal.
Die Minuten verrannen. Megs und Abbeys Nerven waren zum Zerreißen gespannt, sie fühlten sich vor lauter Angst einer Ohnmacht nahe. Einer der Männer, die unten gewesen waren, berichtete, durch das einströmende Wasser sei der Stollen teilweise eingestürzt. Abbey schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund, als sie das hörte. Ihre schlimmsten Befürchtungen waren eingetroffen.
»Wie viele sind denn noch unten?«, fragte sie einen Mann neben ihr.
Er schüttelte den Kopf. »Das können wir noch nicht genau sagen. Wir müssen erst die Zahlen vergleichen.«
Eine Frau drängte sich durch die Menschen zum Eingang des Schachts und rief laut nach ihrem Mann. Zwei Bergleute konnten sie nur mit Mühe zurückhalten, so ungestüm gebärdete sie sich in ihrem Kummer. Achtundfünfzig Männer hatten im Stollen gearbeitet. Die meisten waren offenbar gerettet worden, aber Jock McManus, der Mann der verzweifelten Frau, sowie Finlay und Neal und zwei, drei andere wurden immer noch vermisst. Anscheinend waren sie zum ungünstigsten Zeitpunkt – nämlich als die Pumpe ausfiel – auf eine größere Menge Grubenwasser gestoßen.
Plötzlich riss sich Meg von Abbey los. »Wo ist mein Sohn?«, kreischte sie hysterisch und hämmerte mit den Fäusten gegen die Brust des Mannes, der sie festhielt. »Wo ist mein Junge? Warum helft ihr ihm denn nicht? So helft ihm doch!«,
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