Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
wenigstens zusammenbleiben können. Es wäre furchtbar, wenn sie auseinandergerissen würden.«
Der Gedanke an die Zwillingsschwestern, die erst ihren Bruder verloren hatten und jetzt um ihre Mutter bangen mussten, war zu viel für Abbey. Von Kummer und Schmerz überwältigt brach sie schluchzend zusammen.
Vera, die dem Elend rings um sie her mit stoischer Gelassenheit zu begegnen versuchte, da sie die Dinge ohnehin nicht ändern konnte, brach es schier das Herz. Abbey war noch zu jung, um mit den Schicksalsschlägen, die sie heute ereilt hatten, fertig zu werden.
Sie kniete sich neben sie und legte ihr tröstend den Arm um die Schultern. »Aber, aber, Kindchen! Beruhige dich doch. Das war ein furchtbarer Tag für dich, nicht wahr?«, murmelte sie tief bewegt. »Ich weiß, wie gern du Neal gehabt hast, und dann auch noch den Vater zu verlieren …« Sie schürzte ihre schmalen Lippen. »Und das alles ist nur Ebenezer Masons Schuld. Er allein hat die Männer, die heute ihr Leben verloren, auf dem Gewissen. Aber du musst dich zusammenreißen, Kindchen. Es gibt nichts, was du tun könntest. Das Leben geht weiter.«
Als Vera den Namen des Minenbesitzers aussprach, ging ein Ruck durch Abbey. Sie hob den Kopf und straffte die Schultern. Ebenezer Mason! Er sollte ihren ohnmächtigen Zorn und ihren Schmerz zu spüren bekommen. Aber zuerst würde sie dafür sorgen, dass ihr Vater ein anständiges Begräbnis erhielt.
Als das Miner’s Arms schloss, machte sich Paddy Walsh, einer von Finlays besten Freunden, auf den Weg in die Creek Street.
»Ich möchte dir stellvertretend für alle Stammgäste im Miner’s Arms mein tiefstes Beileid aussprechen, Abbey«, sagte er ernst, seine Mütze in seinen Händen haltend. »Dein Vater war ein feiner Kerl, ein Gentleman und ein prima Kumpel. Ich habe den Hut herumgehen lassen. Es ist nicht viel, aber ich hoffe, es hilft dir.« Verlegen kramte er ein paar Pfundnoten und einige Münzen aus seiner Mütze und reichte ihr das Geld. »Vielleicht reicht es für die Beerdigung. Sag uns Bescheid, wenn du weißt, wann sie sein wird, wir werden da sein. Anschließend treffen wir uns in der Kneipe zum Leichenschmaus. Du bist herzlich dazu eingeladen, Abbey.« Seine Stimme war brüchig vor Ergriffenheit, und er musste sich räuspern.
»Ich danke Ihnen, Mr. Walsh«, murmelte Abbey gerührt. Sie wusste, wie eng ihr Vater mit seinen Stammtischkumpels befreundet gewesen war, aber sie bemerkte auch, dass sich Paddy offenbar Mut angetrunken hatte, bevor er zu ihr gekommen war. Es war ihr unangenehm, Geld von ihm und den anderen Freunden ihres Vaters anzunehmen, aber sie konnte es sich nicht leisten abzulehnen.
Herman Schultz, der Leichenbestatter, zu dem man ihren Vater gebracht hatte, war bereits bei ihr gewesen. Ein würdevolles Begräbnis war nicht billig, und das Geld, das Paddy gesammelt hatte, reichte bei weitem nicht aus. Doch Abbey war zu stolz, etwas zu sagen. Sie war fest entschlossen, die Kosten für die Beerdigung von Ebenezer Mason einzufordern, schließlich hatte er ihren Vater auf dem Gewissen.
»Mir war nie wohl bei dem Gedanken, dass dein Vater in der Mine arbeitet«, fuhr Paddy fort. »Ich hab immer gesagt, es ist verdammt gefährlich im Untertagebau. Deinem Vater war das schon klar, aber er hatte Angst, dass er keine andere Arbeit finden würde, deshalb ist er geblieben.«
Paddys Worte verstärkten Abbeys Schuldgefühle noch. Offenbar hatte ihr Vater seine gefährliche Arbeit nur deshalb nicht aufgegeben, weil er für seine Tochter sorgen musste. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, sie könnte eine Last für ihn gewesen sein. Ihre Verzweiflung wuchs.
»Weißt du schon, was du jetzt anfangen wirst, Abbey?«, fragte Paddy leise.
»Nein«, entgegnete sie kopfschüttelnd. »Ich denke, ich werde mir eine Arbeit suchen müssen. Dad hat mir das nie erlaubt.« Sie schluckte schwer und fuhr mit spröder Stimme fort: »Er hat immer gesagt, ich soll zu Hause bleiben und für ihn sorgen, bis ich einmal heiraten würde.« Als sie an Neal dachte, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Kopf hoch, Mädel«, tröstete Paddy sie unbeholfen. »Es ist hart, ich weiß. Da fällt mir ein, Mrs. Slocomb, meine Vermieterin, sucht jemanden, der ihr beim Putzen hilft. Wenn du nichts Besseres findest, kannst du sie ja mal fragen, ob sie dich nimmt.«
Abbey dankte ihm für seine Hilfe.
Nachdem Paddy gegangen war, legte sie sich auf den strohgefüllten Sack auf dem nackten Erdboden, der
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