Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
ihr Gesicht und tropften auf dieBrust. »Es ist so schwer, sich für etwas Neues aufzumachen, Carrie.«
Carrie setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. »Ach, Penny, wer weiß, was geworden wäre. Ist es nicht furchtbar müßig, darüber nachzudenken? Lass doch die Vergangenheit ruhen. Sie sind alle verloren – alle, die wir gemocht haben. Wir alle waren es. Wir sind in England zum Tode verurteilt worden, und manchen von uns hat der Tod doch noch eingeholt. Aber wir zwei haben überlebt. Du – und ich.« Sie streichelte Penelopes Hand. »Weißt du – die haben diese verdammte Kolonie gegründet, weil sie uns loswerden wollten. Aber sieh es doch mal so: Die haben uns ein neues Land gebaut. Wir sind jetzt das neue England.« Sie lächelte. »Na, wie hört sich das an? Wir müssen für alle, die es nicht geschafft haben, weitermachen. Für deine Mutter, für die kleine Lily. Bewahre sie in guter Erinnerung, trockne deine Tränen, und zeig der Welt, dass du überleben kannst.«
Carrie nahm die Flasche zurück und hob sie zu einem Toast. »Auf uns! Fasse Mut, Penelope MacFadden. Nimm dir, was immer du kriegen kannst, und bau dir ein neues Leben. Ergreif es mit beiden Händen, nimm dir alles, was du findest. Zeig der Welt, wie überleben geht! Dafür wurdest du geboren!«
Mary schaffte es ein weiteres Mal, ihrer Kolonne zu entwischen. An diesem Tag herrschte viel Verkehr, weil ein Schiff im Hafen eingelaufen war. Jedermann schien sich aufgemacht zu haben, beim Löschen der Ladung zuzuschauen, und im Gedränge wurde die Reihe der Sträflingsfrauen auseinandergerissen. Mary nutzte die Gelegenheit – sie duckte sich hinter einer Kutsche und entwischtein die Seitenstraße, die zum Hospital führte. Aufatmend drückte sie sich gegen die Hauswand. Ihr Rücken schmerzte von der harten Arbeit, und mit wunden Fingern rieb sie sich über die Schultern. Talg hätte die Finger geschmeidig gehalten, doch an so was dachte niemand in der Fabrik. Wer seine Arbeit nicht erledigen konnte, wurde aussortiert.
Bevor sie jemandem auffallen konnte, war sie durch die Gasse auf die andere Seite der Hauptstraße gehuscht und machte sich auf den Weg zum Hospital. Wie viele Wochen war es her, dass sie hier gewesen war? Man vergaß die Zeit, selbst wenn man sich vornahm, die Tage zu zählen. Ihre Monatsblutung war schon lange vor dem Schiffstransport ausgeblieben, das Alter forderte seinen Preis. Und so gab es nicht mal mehr die Möglichkeit, in Monaten zu denken.
Der Pförtner war immer noch derselbe. Diesmal roch er nach Nüssen, und er schien vergessen zu haben, dass sie schon einmal geklopft hatte.
»Wen suchst du? Hä? Mac was?« Der Name schien gelöscht zu sein, der Prozess lag nun lange zurück. Zu viele schottische und irische Namen, zu viel Gleichgültigkeit. Den Rum roch Mary auch.
»Ein Mädchen. Dunkelblondes Haar, schmales Gesicht, etwa so groß wie ich. Freundliche Augen …« Mary überlegte und sah, dass er mit dieser Beschreibung nichts anfangen konnte.
»Weswegen eingeliefert?« Er schaute sie gar nicht mehr an.
»Das weiß ich nicht. Ich suche sie.«
»Das hier ist ein Hospital, gute Frau. Hier finden sich nur Kranke.« Er wollte die Tür wieder schließen, da schob sich von hinten ein Arztkittel heran.
»Wen weist du hier ab? Wir weisen niemanden ab«, ließ Dr. Redfern den Pförtner wissen. »Wir lassen keine Patienten vor der Tür stehen, wenn sie Schmerzen haben.« Intensiv studierte er Marys Haar und die schmalen Züge, und sie überlegte, ob ihm wohl auffiel, wie sehr Penelope ihr ähnelte.
»Ich suche jemanden«, sagte Mary mit fester Stimme. »Ich suche mein Kind. Meine Tochter – vielleicht wissen Sie etwas über sie.«
Redfern zog sie ins Haus, offenbar war er neugierig geworden.
»Man wollte ihr den Prozess machen«, sprach sie hastig weiter, bevor man sie doch wieder wegschickte. »Man wollte … man wollte sie hängen, weil sie ihre Komplizin nicht verraten hat. Man –«
»Penelope«, rief der Arzt aus. »Das junge Mädchen aus dem Kutschenunfall.«
»Ja.« Mary nickte. »Penelope ist meine Tochter.«
Er presste seine Lippen aufeinander und nickte. Das abgearbeitete Gesicht wirkte nun noch müder als vorher. Einer jener Doktoren, die der Tod eines Tages am Krankenbett erwischen würde. Mary hatte das schon erlebt. Deshalb ergriff sie mutig die Hand des Arztes.
»Sagen Sie mir, wo ich sie finden kann. Ich suche sie schon so lange.«
Der Doktor hatte sie zu einer feinen Adresse an der
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