Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
Hathaway goss frischen Tee in seine Tasse und rückte den Sonnenschirm zurecht. Nach den kühlen Sommermonaten wagtesich endlich wieder die Sonne hervor, man genoss die Wärme, suchte aber den Schatten, um sich die helle Gesichtsfarbe zu erhalten.
»Und dort hat man diese Person gefunden?«, fragte die Nachbarin neugierig. Lag auch der Mordfall Heynes nun schon ein gutes halbes Jahr zurück, so beschäftigte er immer noch die Gemüter – Heynes war ein angesehener Rumhändler gewesen. Er hatte vor allem mit dem qualitativ besseren Rum aus Bengalen gehandelt und stets beste Ware liefern können. Penelope grinste in sich hinein. Rum war Rum, und schlecht war ein Rum nur, wenn er mit Wasser verdünnt war. Was wussten die Reichen schon vom Rausch? Sie nippten Wein aus vornehmen Gläsern und machten einen Riesenaufstand, wenn eines dieser Gläser zu Bruch ging. Sie beugte sich über ihre Flickarbeit und spitzte die Ohren.
»Ja, dort hat man Ann Pebbles gefunden, eine betrunkene, halbnackte Hure mit pockennarbigem Gesicht und nicht einem einzigen Zahn im Mund.« Angeekelt schüttelte Mr. Arthur sich. »Man erzählt sich, sie sei blinde Passagierin auf einem Schiff gewesen. Eine Frau! Nein, wie abstoßend! Na ja, nun liegt sie im Gefängnis, schweigt verstockt und scheint nicht zu begreifen, dass man sie aufhängen wird, wenn sie nicht redet.«
Mrs. Hathaway schüttelte den Kopf. »Arme fehlgeleitete Kreatur. Man sollte denken, dass sie hier einen besseren Weg als in London machen, doch weit gefehlt …«
»Man wird sie hängen«, erklärte Arthur.
Mrs. Hathaway reichte ihm den Zucker. »Nun ja.« Der Gebäckteller ging herum.
»Man kann sie auch auspeitschen«, krähte da der kleine John Hathaway aus den Büschen. Er stürmte hervor, packteseinen kleinen Bruder und drückte ihn gegen den Baum. »Zweihundert Streiche für dich, du Spitzbube! Zweihundert Streiche, weil du in meinen Frühstückstoast gebissen hast!«
»Ich war es nicht, ich war es nicht, der Hund hat ihn genommen!«, jammerte der Kleine, doch sein Bruder war stärker und hatte ihn im Handumdrehen mit dem Springseil der Schwestern an den Baum gebunden.
»Du musst nun stehenbleiben«, wies er ihn an. »Du musst stehenbleiben, bis ich mit den zweihundert Streichen fertig bin.« Breitbeinig stellte er sich hinter ihn, hob den Arm und schleuderte eine imaginäre neunschwänzige Katze durch die Luft. »Uuund … eins! Uuuund … zwei! Uuu und … drei!«, schrie er, während sein Bruder ein Schmerzensgeheul anstimmte und um Gnade flehte.
»Spielt bitte etwas leiser«, bat Mrs. Hathaway. »Und schreit nicht so.«
»Er ist Ire. Er muss schreien«, erklärte John und nahm erneut Anlauf mit seiner unsichtbaren Peitsche.
»Iren schreien nicht.«
Alle Köpfe drehten sich nach Penelope um. Selbst die Jungen unterbrachen ihr Spiel und wandten sich um.
Mr. Arthur lachte laut auf. »Bist du etwa irisch, dass du das so genau weißt? Ich habe bis jetzt noch jeden schreien hören, jeden gottverdammten –«
»Iren schreien nicht«, wiederholte sie fest. Ihre Brust schwoll. Was auch immer Liam und Joshua verbrochen hatten – niemand sollte ihnen Feigheit vorwerfen. Ihr Mut, der Peitsche schweigend und mit erhobenem Kopf zu begegnen, würde nicht in Vergessenheit geraten, dafür wollte sie sorgen.
Mr. Arthur lachte erneut. Dann hielt er inne und fixiertesie. »Kleine Irenfreundin, übrigens habe ich etwas herausgefunden. Du wolltest doch wissen, was mit diesem Finch ist«, sagte er. Sein Gesicht verzog sich zu einem hinterhältigen Lächeln.
Penelope sprang auf. Ihr Herz schlug ihr fast zum Hals heraus – der Moment war gekommen, auf den sie kaum noch zu hoffen gewagt hatte!
»Er ist an Typhus gestorben. Kurz nach seiner Ankunft im Jahr … Ach, das hab ich vergessen. Spielt auch keine Rolle mehr, er ist ja tot. Du brauchst also nicht weiterzusuchen. Hast du ihn gekannt?« Betont gleichgültig hielt er Mrs Hathaway seine Teetasse hin und setzte dann seine Beschreibungen des Dirnenviertels von Sydney fort.
Niemand holte Penelope zurück, als sie den Garten verließ. Sie erschrak, welchen Hieb die Nachricht ihr versetzte, obwohl sie doch nichts über ihren Vater wusste. Die Tränen, die sie um ihn weinte, schenkten keine Erlösung, stattdessen wuchs der Zorn auf ihre Mutter, die ihr die Wahrheit all die Jahre verschwiegen und sie auf dem Schiff nur mit dem Namen abgespeist hatte. Sie wollte mehr wissen, sicher wusste die Mutter viel mehr. Es musste doch
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