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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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daran, so dunkel und zähflüssig wie Konfitüre.
    »Sie sind verletzt«, stellte er sachlich fest. »Kommen Sie, ich nehme Sie mit zu meinem Freund.«
    Zu seinem Freund?, dachte sie. Aber ihr schwirrte zu sehr der Kopf, um Fragen zu stellen.
    »Sie sollten nicht allein herumlaufen«, brummelte er weiter. »Das ist heutzutage gefährlich. Es wimmelt von Ganoven, die keine Skrupel hätten, Sie für einen Penny kaltzumachen.«
    Sie ließ ihn weiterreden, während er sie in den Sattel hob. Anscheinend hatte er Angst um sie, was beruhigend war, denn ein Mann, der vorhatte, sich an einer Frau zu vergreifen, verhielt sich doch sicher nicht so fürsorglich.
    »Sie müssen mich in die nächste Stadt bringen«, teilte sie ihm mit, wobei sie das Pochen in ihren Schläfen zu übertönen versuchte. Befehle zu geben erschien ihr vertraut. Vermutlich hatte sie es früher auch schon getan.
    Allerdings wollte er nichts davon hören. »Ich nehme Sie mit zu Adam«, beharrte er.
    Wer war Adam?, hätte sie sich gern erkundigt. Doch das Pferd scharrte, eindeutig verärgert über die fremde Frau auf seinem Rücken, ruckartig mit den Hufen, sodass sie Mühe hatte, sich im Sattel zu halten. Der Mann stieg hinter ihr auf.
    »Also los. Es ist nicht weit«, meinte er aufmunternd, stieß dem Pferd die Fersen in die Flanken und kehrte auf dem Weg zurück, den er gekommen war.
    Der Kopf fiel ihr beinahe vom Hals, sodass sie schon damit rechnete, er könnte jeden Moment hinter ihnen über die Straße rollen. Bei dieser Vorstellung musste sie schmunzeln, obwohl sie wusste, dass sie nicht bei klarem Verstand sein konnte, wenn sie solchen Gedanken nachhing.
    Das Pferd, das vermutlich keine Lust hatte, die doppelte Last zu tragen, trottete starrsinnig langsam dahin, weshalb der Ritt sich eine schiere Ewigkeit hinzog. Vor Schmerz und Erschöpfung sackte ihr der Kopf vornüber, bis ein fliegender Käfer vorbeisurrte und ihr Gesicht streifte. Als sie seine kratzigen Beine auf der Wange spürte, schrie sie auf und wedelte das Insekt weg. Allein der Gedanke, er könne sich in ihrem Haar verheddern, ließ sie erschaudern, sodass sie beschloss, wach zu bleiben.
    Hin und wieder sprach der Mann sie an, wahrscheinlich um sich zu vergewissern, dass sie bei Besinnung war. Dabei stand ihm der Atem wie eine weiße Wolke vor dem Mund. Er verriet ihr, sein Name sei Harvey. Gerade habe er eine schlechte Nachricht erhalten und sei auf dem Weg in einen Gasthof gewesen, um seine Sorgen zu ertränken. Er habe schon beinahe vergessen, wie Rum schmecke. Sie entnahm seinen Worten, dass er auf einer einsam gelegenen Schaffarm arbeitete.
    »Gleich sind wir da«, sagte er immer wieder und fügte hinzu: »Bei Adam sind Sie in Sicherheit. Er weiß, wie man Ihnen helfen kann.«
    Dass er sich seiner Sache so sicher war, flößte ihr Vertrauen ein.
    Inzwischen dämmerte der Abend, doch der Mond stand hoch am Himmel, sodass sie den Weg gut erkennen konnten. Er erinnerte an ein schmales, bleiches Band, das sich durch die Dunkelheit schlängelte. Die Bäume waren schwarze Schatten und neigten sich ihnen bedrohlich entgegen. Zitternd und benommen schaute sie sich um. Vielleicht bin ich ja tot, dachte sie. Möglicherweise bin ich an Seaton’s Lagune gestorben, und der Mann, der sich Harvey nennt, ist der Tod. Und jetzt bringt er mich in den Himmel? Oder in die Hölle.
    Sie drehte mühsam den Kopf, um festzustellen, ob sich unter dem struppigen schwarzen Bart ein glatter weißer Schädel verbarg. Aber sein Gesicht war zwar eingefallen, jedoch nicht furchterregend. Als er ihr aufmunternd zulächelte, bemerkte sie, dass er fast keine Zähne mehr hatte. Im nächsten Moment bog das Pferd um eine Kurve im Pfad, und sie erreichten einen Lagerplatz.
    Sie blinzelte. Das lodernde Lagerfeuer malte seltsame Schatten an die Bäume. Den Karren unter den Bäumen, das daneben weidende Pferd und den bellenden Hund nahm sie kaum zur Kenntnis. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Mann, der am Feuer kauerte, den Kopf hob und ihnen entgegenblickte. Als das Pferd keuchend auf ihn zukam, richtete er sich langsam auf. Das Feuer tauchte ihn in einen roten und orangefarbenen Schein, als stünde er selbst in Flammen.
    »Adam«, rief Harvey mit rauer Stimme. »Das ist Adam. Jetzt kann Ihnen nichts mehr passieren«, meinte er dann beruhigend zu ihr.
    Das Pferd hielt inne und war zu müde, um sich zu beschweren, während der Hund es kläffend umkreiste. Harvey stieg ab und wollte ihr aus dem Sattel helfen. Aber als

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