Der Duft Der Wüstenrose
der Südsee, es soll paradiesisch sein.« Der Richter stopfte seine Pfeife wieder neu. »Ich persönlich glaube aber nicht mehr ans Paradies, höchstens noch an ein Glas Wein und eine ordentliche Pip.« Er lächelte ein wenig bitter.
»Wie auch immer, ich habe auf der Insel einen Freund, der mir noch einen Gefallen schuldet. Ich schlage vor, ihr geht dort so lange hin, bis Gras über alles gewachsen ist. Neben Ehebruch und Kindesentführung verdächtigt man John und dich immerhin des Mordes an vier Männern.«
Fanny wusste, dass Ehrenfels recht hatte. John und sie sollten für eine Weile fortgehen, und sie hoffte, dass die vier Tränen der Sonne wertvoll genug für die Kosten dieser Reise waren.
»Ich danke dir, und ich denke, John wird dir sicher zustimmen, denn niemand kennt Ludwig so gut wie er. Wir reisen so bald wie möglich ab nach Samoa, auch wenn wir nichts Strafbares getan haben.« Fanny holte tief Luft, um noch einmal zu bekräftigen, dass sie keine Mörder waren, doch gleichzeitig fiel ihr ein, wie gern sie Hermann getötet hätte und wie wenig Bedauern sie für die Männer in den Fluten gehabt hatte.
Deshalb verzichtete sie darauf, atmete laut aus, entspannte sich und war froh, dass sie Ehrenfels nicht anlügen musste.
»Niemand hat sie ermordet«, erklärte sie, »sie alle sind einfach nur Opfer der Wüste geworden.«
»Dann wird man sich erst recht fragen, wie ihr – so viel schlechter ausgestattet als die Söldner – es dann geschafft habt, der Wüste zu entkommen.«
»Magie«, flüsterte Fanny. Sie beugte sich über John und küsste sein Haar, dann richtete sie sich wieder auf und lächelte. »Zauberei und die Tränen der Sonne und …«
»Die Tränen der Sonne?«, fiel Ehrenfels ihr voller Skepsis ins Wort. »Magie?«
»Ja.« Fanny nickte ihm zu und brachte Zahaboos Goldreife leise zum Klingeln. »Ja, es war Magie.« Sie lächelte wieder und dachte an Zahaboo. »Die Magie und der Duft der Wüstenrose haben uns geführt.«
Der Mops sprang vom Schoß des Richters und lief davon.
»Magie, so ein Unsinn …« Der Richter schüttelte den Kopf und trank seinen letzten Rest Wein aus.
Fanny rüttelte John behutsam wach, küsste ihn diesmal auf den Mund und stieg Arm in Arm mit ihm die Treppen hoch in ihr Zimmer, wo Lottchen schon lange tief und fest schlief.
Statt eines Nachworts
D er Duft der Wüstenrose ist ein Roman, eine von mir erfundene Geschichte. Aber vielleicht geht es Ihnen ja so ähnlich wie mir, wenn ich ein Buch zu Ende gelesen habe, und Sie möchten nun auch zu gern wissen, wie in Gottes Namen die Autorin nur auf diese Idee kam beziehungsweise wie dieser Roman wohl entstanden ist.
Vor ein paar Jahren fand ich an einem heißen Sommertag auf dem schönsten Flohmarkt Münchens, der unter prächtigen alten Kastanien in der Nähe einer Ziegelsteinkirche stattfindet, einen Schatz: ein dickes, wundervoll illustriertes Buch über Glasperlen. Falls Sie sich auch dafür interessieren, hier der Titel: Alle Perlen dieser Welt. Eine Kulturgeschichte des Perlenschmucks von Lois Sherr Dubin.
Seit Langem faszinieren mich Glasperlen, und dieses Buch eröffnete mir mit all seinen Zahlen, Fakten und Bildern den Zugang zu einem ganzen Universum von Glasperlen.
Ich war sicher, in meinem nächsten Roman würden diese kleinen Schmuckstücke eine wichtige Rolle spielen. Doch es fiel mir schwer, mich auf ein Land und ein Jahrhundert festzulegen – die Auswahl war einfach so groß. Da gibt es beispielsweise die geheimnisvollen dZi -Perlen, geschwärzte oder auch bräunliche Achatperlen, um die sich in Tibet viele geheimnisumwitterte Geschichten ranken. Oder die kunstvoll geschnitzten ojime -Perlen, die in Japan auch aus Elfenbein und Metall hergestellt wurden; man fädelte sie auf die Lederschnüre von Tragbehältern und Beuteln, so dass sich Letztere verschließen ließen, indem man die Perlen nach unten schob. Und dann sind da noch die vielen magischen Augenperlen, die man überall auf der Welt in den unterschiedlichsten Ausprägungen findet.
Es schien mir unmöglich, mich zwischen diesen unzähligen Möglichkeiten zu entscheiden, bis ich auf die Dok torarbeit von Ulf Vierke stieß – Die Spur der Glasperlen –, in der eindrucksvoll dargelegt wird, dass sich heute noch Perlen aus dem Bayerischen Wald in Afrika finden lassen.
Eine Zeit lang gehörten der Bayerische und der Böhmerwald, salopp gesagt, quasi zu den Perlenmetropolen der Welt, vergleichbar mit Venedig. Ich erkundete die Glasstraße
Weitere Kostenlose Bücher