Der Duft des Apfelgartens
andere merkwürdige Menschen auf.«
Clem zuckt die Schultern. »Nun ja, er kannte sich eindeutig mit der hiesigen Geschichte aus. Vielleicht war er nur ein neugieriger Besucher, der unten im Dorf abgestiegen ist.«
Janna trinkt ihren Tee aus und wirft einen Blick auf die Uhr. »Ich sollte sehen, dass ich weiterkomme. In zehn Minuten ist der Vespergottesdienst zu Ende, und Schwester Ruth wird Hilfe beim Abendessen brauchen. Ich habe Ihnen das Wechselgeld auf den Tisch gelegt. Danke für den Tee.«
»Ich danke Ihnen fürs Einkaufen«, antwortet Clem. Er steckt das Kleingeld in die Tasche, knüllt den Kassenzettel zusammen und wirft ihn in den Mülleimer. Ein Teil von ihm wünscht, er hätte Janna eingeladen, später zurückzukommen und mit ihm zu essen; aber er weiß, dass er froh sein wird, einfach mit einem Sandwich vor dem Fernseher zusammensinken zu können, nachdem er Jakey wie immer gebadet und ins Bett gebracht hat. Die Instandhaltung des Grundstücks und des Hauses bedeutet schwere körperliche Arbeit, und außerdem muss er dafür sorgen, dass Jakey bekommt, was er braucht. Dossie und Janna sind eine großartige Hilfe, doch die schmerzhafte Leere besteht weiter: Madeleine fehlt ihm, und der Frieden, den er einst gekannt hat – dieser tiefe Frieden, der daraus erwächst, seine Berufung erkannt zu haben und sie zu leben.
Die Hände in den Taschen vergraben, steht er neben dem Tisch und lässt den Kopf hängen. Als Madeleine starb, hat ihn der Schock aus der Bahn geworfen. Er war vollkommen orientierungslos. Ein paar Eckpunkte waren allerdings klar: Sie hätte gewollt, dass er selbst für ihr gemeinsames Kind sorgt, und das hätte er in Oxford unmöglich tun können. Ihre Eltern lebten und arbeiteten in Frankreich und konnten ihm daher keine große Hilfe sein. Dossie hatte ihm zwar angeboten, ja, ihn angefleht, sie nach Oxford ziehen und ihm den Haushalt führen zu lassen, aber er konnte unmöglich die Verantwortung für diesen Umzug auf sich nehmen, der ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt hätte. Schließlich hat sie das alles schon einmal durchgemacht: den Verlust ihres geliebten Mannes durch einen Autounfall und die Aussicht, ihr Kind allein großzuziehen. Damals studierte sie im letzten Jahr Gastronomie. Sofort nutzte sie ihr neu erworbenes Wissen und machte sich selbstständig, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und sich gleichzeitig um ihr kleines Kind kümmern zu können. Wie in aller Welt hätte er, Clem, da von ihr verlangen sollen, ihre Kunden, ihre Kontakte und all ihre anderen Verpflichtungen aufzugeben? Unmöglich. Clem schüttelt den Kopf. Auch die Alternative – Dossie hätte Jakey mit nach Cornwall nehmen können, während er selbst die nächsten drei Jahre in Oxford studierte – stand außer Frage. Jakey hatte schon seine Mutter verloren; er brauchte seinen Vater. In London konnte Clem gutes Geld verdienen und sich ein Kindermädchen in Vollzeit leisten; und er hatte das Netzwerk seiner Freunde, die ihn unterstützten. Eine trübe Aussicht im Gegensatz zu allem, auf das er sich gefreut hatte; aber andererseits, wie konnte er sicher sein, dass sein Gefühl, berufen zu sein, ihn nicht trog? Falls er wirklich zum Geistlichen berufen war, warum war diese Tragödie ausgerechnet während der ersten Monate seiner Ausbildung geschehen? Lange haderte er mit Gott, zornig, verzweifelt und voller Schmerz.
Im Rückblick erkennt er, dass all seine Entscheidungen von Schuldgefühlen und Trauer bestimmt waren – und doch hat sein Weg ihn drei Jahre später nach Chi-Meur geführt. Und hier findet er bei der Arbeit an diesem magischen Ort, der so nahe am Meer liegt, Heilung und ein gewisses Maß an Frieden. So ist es auch, wenn er mittags zur Eucharistie in die Kapelle schlüpft oder der Terz, der Vesper oder dem Abendgebet zuhört. Und wenn er in diesem winzigen Haus im Dorf mit Vater Pascal redet.
Langsam und zuerst zögerlich hat Clem mit dem alten Priester über seine Verwirrung und seinen Zorn gesprochen. Er glaubt, durch die Stelle auf Chi-Meur, das Wohlwollen der Schwestern und Jannas Freundschaft Heilung für seine Seele gefunden zu haben. Doch mit welchem Ziel? Wie soll die Zukunft aussehen?
»Vielleicht sind das ja alles Wegweiser?«, hat Vater Pascal bei einer dieser Gelegenheiten gemeint. »Die Großzügigkeit von Fremden, die Liebe von Freunden. Finden Sie nicht, das könnten Wegezeichen auf der Straße zu Gott sein? Die Verheißungen Gottes, der vor Ihnen auf dieser Straße wandelt.
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