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Der Duft des Apfelgartens

Der Duft des Apfelgartens

Titel: Der Duft des Apfelgartens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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warm zu werden, und da sie im Moment keine Gäste haben, auf die man Rücksicht nehmen müsste, weigert Mutter Magda sich, das kostbare Öl für die Zentralheizung zu vergeuden. Sie ist jemand, der sich ständig Sorgen macht; permanent legt sie die Stirn in Falten und spannt die schmale Gestalt an, als müsste sie Kritik abwehren und sich gegen Katastrophen wappnen. Jakey allerdings kann sie zum Lachen bringen, sodass ihre Sorgenfalten einem breiten, fröhlichen Lächeln weichen und ihre immer noch schönen dunkelblauen Augen vor Freude leuchten.
    Clem hat ihre Ängste wegen des Feuerholzes zerstreut. Sein Vorgänger hat eine ganze Scheune voll davon hinterlassen. Er hatte es im Lauf von Jahren gehackt und dort gestapelt, aber nie benutzt, weil die Schwestern ein offenes Feuer als Luxus betrachten. Beim ersten Mal hat Clem nicht um Erlaubnis gebeten, sondern einfach eines Freitagmorgens vor der Kapitelversammlung eins angezündet. Er nahm die instinktive positive Reaktion der Schwestern wahr, ihre erfreuten und überraschten Blicke, obwohl Schwester Ruth angesichts seiner Verwegenheit zusammenzuckte und Mutter Magda rasch eine nervöse Miene aufsetzte.
    »Nur, solange es so kalt ist«, erklärte er schnell. »Außerdem muss der Raum durchgelüftet werden, vor allem wegen der vielen Bücher. Es wäre ein Jammer, wenn sie feucht und muffig würden, und wir haben so viel Feuerholz.«
    »Ach ja.« Seine rationale Erklärung erleichterte Mutter Magda. »Und Schwester Nicola möchte vielleicht nach dem Mittagessen ein Weilchen hier sitzen«, schlug sie Schwester Ruth, deren Empörung sie wahrnahm, besänftigend vor. »Nur zur Abwechslung.«
    Clem sah, dass Schwester Ruth sich hin- und hergerissen fühlte: Sollte sie ihre Missbilligung kundtun oder eingestehen, dass das Feuer ihnen Freude bereiten würde? Schwester Nicola ging bereits darauf zu und murmelte dabei entzückt vor sich hin. »Nur, solange es so kalt bleibt«, pflichtete Schwester Ruth ihm zögernd bei.
    Jetzt facht er das Feuer an und stellt das Funkenschutzgitter davor. Am Fenster hält er inne. Zum Rand der Klippe hin fallen die Felder steil ab, und er kann übers Meer bis nach Cataclews Point und Trevose Head sehen. Unter dem kalten, klaren blauen Himmel und den schneebeladenen Wolken strudelt und wogt rastlos das silbrige Wasser, das von dem scharfen Nordostwind aufgewühlt wird, und wechselt die Farbe – einmal wirkt es azurblau, dann wieder grau. In einer Gruppe von Eschen unterhalb des Hauses sieht Clem einen Schwarm zänkischer Krähen, die auf den knochenweißen Ästen sitzen; sie streiten über ihre massigen, aus Zweigen gebauten Nester und bessern sie aus. Plötzlich erhebt sich eins der Männchen in die Luft, kurvt umher, kommt im Sturzflug herunter und gibt vor seiner Partnerin und seinen Rivalen gleichermaßen an, während es sich an der stärker werdenden Brise erfreut. Andere tun es ihm nach und fordern das Krähen-Männchen heraus. Ihr raues Krächzen wird vom Wind davongetragen.
    Clem mag die Krähen: Er spürt ihre Freude daran, sich den Elementen zu überlassen, ihr Draufgängertum und die Art, wie in ihnen der Instinkt, andere zu übertreffen, mit ihrem Bedürfnis nach Gemeinschaft ringt.
    »Genau wie wir, finden Sie nicht auch?« Schwester Emily steht dicht neben ihm. »Streitsüchtig und kompliziert, aber sie brauchen einander.«
    Clem, der gerade genau das Gleiche gedacht hat, beißt sich auf die Lippen. »Wahrscheinlich«, meint er verlegen, den Blick immer noch auf die Krähen gerichtet, »macht einen das Leben in einer Gemeinschaft letztendlich zu einem besseren Menschen.«
    »Aber wir sind nicht hier, um ›bessere‹ Menschen zu werden. Nicht einmal ›nette‹ Menschen. Würden Sie nicht sagen, dass wir hier sind, um Gottes Menschen zu werden?« Mit dem Bündel von Papieren, das sie in der Hand hält, berührt sie ihn leicht an der Schulter und gleitet davon. An der Tür bleibt sie noch einmal stehen. »Wie einladend dieses Feuer aussieht! Danke, Clem.«
    Er folgt ihr hinaus und geht zurück ins Pförtnerhäuschen, um Jakey zu wecken und ihm das Frühstück zuzubereiten.
    Später, am Nachmittag, beginnt es zu schneien. Die Ente ist aufgegessen, und die Überreste des Festmahls werden weggeräumt. Die Schwestern trinken Tee in der Bibliothek. Der Schulbus hat Jakey gerade zu Hause abgesetzt.
    »Das Wetter wird schlechter«, ruft der Fahrer Clem zu. »Schnee ist vorhergesagt. Glaube nicht, dass ich Sie morgen sehe.«
    Er fährt

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