Der Duft des Apfelgartens
dass Dossie so viel Essen im Tiefkühlschrank eingelagert hat! Ihr zweiter Gedanke lässt sie nach dem Lichtschalter greifen. Erleichtert stellt sie fest, dass sie noch Strom haben.
Schnell zieht sie sich an und betrachtet sich in dem winzigen Spiegel, der über dem kleinen Waschbecken in der Ecke hängt. Ihre unbezähmbare Löwenmähne klebt an der Bürste und steht um ihr kleines, schmales Gesicht. Jemand hat ihr einmal gesagt, die Farbe ihrer Augen gleiche klarem Honig. Janna späht in den Spiegel, versucht, sich so zu sehen, wie andere sie wahrnehmen, und fragt sich, ob sie gut aussieht.
Sie verlässt das Zimmer und bleibt auf dem Gang stehen, um in die Stille hineinzulauschen. Keine Besucher, die die leeren Zimmer besetzen, niemand, der ins Bad eilt oder die Treppe hinunter, um im Speisesaal für die Gäste, der neben dem Refektorium liegt, zu frühstücken. Als Janna jetzt vor ihrer Zimmertür steht, ist sie sich der Leere in dem Haus bewusst, das sie umgibt und das inzwischen nur noch von gelegentlichen Gästen, die hier Einkehr suchen, und den Nonnen bewohnt wird, die aber in ihrem abgelegenen Privatflügel leben. Sie geht hinunter in die Eingangshalle, durchquert sie und betritt die Küche auf der Rückseite des Hauses. Wie warm es in diesem langen Raum mit der niedrigen Decke ist, wie einladend!
Sie läuft zwischen Küche und Refektorium hin und her, kocht Porridge, steckt Brot in den Toaster, stellt Frühstücksflocken, Butter und Marmelade hin und deckt den Tisch für die Schwestern.
An der Hintertür erklingen Stimmen. Clem und Jakey kommen in die Küche. Jakeys Wangen sind hochrot, und seine Augen strahlen. Er ist wie ein Paket in eine warme, gepolsterte Jacke geschnürt und trägt eine Strickmütze mit Ohrenklappen.
»Wir können einen Sssneemann bauen«, erklärt er Janna. »Und der Busss kommt nicht den Hügel hinauf, deswegen kann ich nicht zur Sssule. Wir wollen mit dir frühssstücken.«
»Prima«, sagt Janna.
»Denk daran, dass du leise reden musst, Jakey«, mahnt Clem.
Jakey zieht eine Grimasse, presst die Lippen zusammen und legt die Hand auf den Mund. Über seine Finger hinweg strahlen seine Augen Janna an, und sie grinst zurück.
»Ich sehe nach den Hühnern«, meint Clem. »Heute müssen sie im Hühnerhaus bleiben. Ich werde einen Pfad freischaufeln, und dann zünde ich den Kamin in der Bibliothek an. Du bleibst hier, Jakey, und mach keinen Unsinn! Janna muss das Frühstück für alle zubereiten. Sieh zu, dass du ihr hilfst!«
Jakey verrenkt sich, um den kleinen Rucksack abzunehmen, öffnet ihn und setzt den Streifenhasen auf einen Stuhl am Tisch. Er hängt den Rucksack über die Stuhllehne und sieht sich um, während er sich aus seiner Jacke hangelt. Jakey liebt die Küche mit ihrer riesigen, uralten Kaminecke, die heutzutage einen gewaltigen Herd mit vier Backöfen beherbergt, und den niedrigen Deckenbalken. Auf die tiefen steinernen Fenstersimse hat Janna Töpfe mit Hyazinthen und Alpenveilchen gestellt und auch ein paar besonders hübsche Kieselsteine und Felsstückchen drapiert, die sie am Strand gesammelt hat.
»Daddy hat seine Sssaufel geholt«, sagt er zu Janna, »um einen Weg für unsss zu graben. Kann ich Würssstchen kriegen?«
»Nicht zum Frühstück.« Sie schaut zu ihm hinab und streicht ihm ganz leicht über das blonde Haar. »Vielleicht zum Mittagessen. Wie wär’s mit Porridge? Und danach Toast mit Honig?«
Er denkt darüber nach und nickt. Zu Hause hätte er vielleicht eine Diskussion darüber angefangen, welche Frühstücksflocken er möchte; aber ihm fällt ein, dass er Janna helfen soll. Und außerdem mag er Porridge und Toast mit Honig.
»Hol mal ein paar Löffel aus der Schublade da«, bittet sie ihn. »Drei, je einen für dich, für mich und für Daddy, und leg sie auf den Tisch. Kannst du das? Hör doch! Ich glaube, die Schwestern sind vom Morgengebet zurück.«
Gerade, als er die Löffel auf den Tisch legt, kommt Mutter Magda in die Küche. Lächelnd und erstaunt zieht sie die Augenbrauen hoch, als sie Jakey sieht, und vollführt eine kleine Verneigung, die »guten Morgen« bedeutet. Er hat sich inzwischen an diese Art schweigender Begrüßung gewöhnt und verbeugt sich seinerseits tiefernst; dann nimmt er den Streifenhasen und lässt ihn sich auch verneigen, sodass seine langen, schlaffen Ohren nach vorn fallen. Mutter Magdas Lächeln wird zu einem breiten Strahlen, und er lacht zusammen mit ihr über seinen Scherz.
Die beiden Frauen sprechen leise
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