Der Duft des Apfelgartens
verwandelt werden, kommt er ihr so passend vor. Clem ist so fröhlich, wie ihn noch niemand von ihnen je erlebt hat; Vater Pascal sprudelt vor Plänen und Ideen über. Und nachdem Bischof Freddie so begeistert ist, hat sogar Mutter Magda ihre gewohnte Besorgnis abgelegt und lässt sich positiv und entschlossen auf diese neue, erwartungsvolle Atmosphäre ein. Nur Schwester Ruth will sich nicht von der aufgeregten Begeisterung anstecken lassen. Schwester Ruth … und auch Janna nicht.
Wir treten vor den heiligen Berg Gottes … die Stadt des lebendigen Gottes …
Die Worte erklingen in ihrem Kopf, während sie ihrer Arbeit nachgeht und abstaubt und poliert. Leichtfüßig wie ein kleiner, zartknochiger Vogel huscht Schwester Emily durch die Räume, schwenkt ihren gelben Staublappen, wischt fleißig und denkt dabei an Janna. Vater Pascal und Clem sorgen sich ebenfalls um sie.
»Jannas innerer Engel ist in Furcht gepackt wie ein Weihnachtsengel, den man nach dem Fest in ein Tuch einschlägt und wegräumt«, hat sie zu Vater Pascal gesagt. »Sein Licht scheint nach außen, wir können es sehen, aber ihr Bedürfnis, irgendwo hinzugehören, und ihre Angst vor festen Bindungen verdüstern und vernebeln es.«
Er lächelte über ihre bildreiche Sprache. »Merkwürdig«, überlegte er, »dass man von zwei so widerstreitenden Mächten angetrieben werden kann, nicht wahr?« Dann hatte er weiter über Genetik gesprochen, über die Debatte, ob die Vererbung oder die Umwelt für den Charakter eines Menschen verantwortlich sei, und am Ende hatte sie ihn ziemlich ungeduldig unterbrochen.
»Ja, ja, aber wir müssen sie halten . Wenn sie uns jetzt verlässt, wird das eine Katastrophe für sie.«
Er verstand sie. »Wie können wir sie denn zum Bleiben bewegen? Wir können ihr nicht verbieten fortzugehen.«
»Ich weiß«, antwortete Schwester Emily bedrückt, »aber wir können dafür beten, dass ihr innerer Engel die Chance bekommt, endlich ans Licht zu kommen.«
Vater Pascal nickte lächelnd. »Und wie steht es um Schwester Ruths inneren Engel?«, fragte er scherzhaft.
Sie lachte mit ihm. »Schwester Ruths Engel ist nicht so tief begraben. In den vielen Jahren, die seit ihrer Profess vergangen sind, hat ihr Engel viele strahlende Momente gehabt, viele länger als andere, bevor er wieder verpackt wurde. Doch wenigstens wissen wir, dass sie einen starken, gesunden Engel besitzt.«
Er hatte sie nicht nach ihrem eigenen Engel gefragt oder von seinem gesprochen, sondern war, immer noch lachend, fortgegangen und hatte ihr gewinkt.
Wir sind getreten vor zahllose Engel, die frohlocken …
Singend wischt Schwester Emily weiter und kann ein Aufwallen von Freude nicht verhindern, obwohl sich ein Teil ihrer Gedanken auch mit ihrer Angst um Janna beschäftigt. Nach trostlosen Regentagen, an denen dicke, weiche Wolken vom Atlantik her über die Halbinseln gerollt sind und ihre Last an den Fenstern abgeladen haben, scheint wieder die Sonne.
»Wahrscheinlich«, hat sie vorsichtig zu Mutter Magda gesagt, »könnte Janna ja nicht in ihrem Wohnwagen bleiben, wenn wir in die Remise ziehen.«
Die besorgte kleine Falte trat erneut zwischen Magdas dünne Brauen. »Ist das ein Problem?«, fragte sie. »Oh ja, ich verstehe. Wie dumm von mir! Ja, die liebe Janna ist sicher ein wenig nervös über die Aussicht, mit uns zusammenzuleben. Und ich weiß, dass Ruth auch keinen großen Wert darauf legt, obwohl sie daran gewöhnt ist, Krankenschwestern oder Pflegerinnen in unserem Gebäudeflügel zu haben, wenn wir Probleme mit kranken oder alten Schwestern haben.«
»Janna ist aber weder Krankenschwester noch offiziell eine Pflegerin«, betonte Schwester Emily, »obwohl sie sich ausgezeichnet dazu eignen würde. Doch wir waren uns einig, dass wir sie brauchen und sie uns.«
»Das sehe ich ja ein«, antwortete Mutter Magda sanft, und Schwester Emily fühlte sich erleichtert. Nicht, dass sie wirklich an der großen Klugheit und Einsicht der Mutter Oberin gezweifelt hätte, aber es war gut, sich sicher zu sein, dass sie alle in dieselbe Richtung dachten … und beteten.
»Nur«, fuhr Mutter Magda fort, »werden wir den Obstgarten für uns selbst brauchen. Es ist unabdingbar, dass wir eine gewisse Privatsphäre behalten. Das findest du doch auch?«
»Ja«, antwortete Schwester Emily zögernd. »Das glaube ich auch, aber wir müssen eine Lösung finden, um Jannas Ängste zu zerstreuen.«
»Wir werden darum beten«, gab die Oberin mit dieser ruhigen,
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