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Der Duft des Apfelgartens

Der Duft des Apfelgartens

Titel: Der Duft des Apfelgartens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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den Tag bei Pa und Mo verbracht; sie haben ein Häuschen im Garten eingerichtet, das er während der Sommerferien ganz für sich allein haben kann. Früher wurde Holz darin gelagert, aber die Scheite sind nass geworden, sodass Pa sie jetzt stattdessen in der Scheune aufbewahrt; und nun fällt der kleine Schuppen fast auseinander. Pa und er haben sehr schwer gearbeitet, um ihn zu trocknen und Filz auf das schräge Dach des Anbaus zu tackern. Mo hat einen kleinen Schemel und einen alten Kartentisch gefunden, damit es wie ein richtiges Haus aussieht. John the Baptist hat sich überreden lassen, hereinzukommen und sich auf eine alte Decke zu legen, aber Wolfie wollte einfach nicht. Er hat gebellt und war ungezogen und ist auf der Wiese im Kreis herumgelaufen.
    Jakey träumt unruhig: Das Haus ist viel größer geworden, und all seine Freunde sind zum Tee gekommen, doch Wolfie ist immer noch draußen und bellt und bellt …
    Plötzlich wacht Jakey auf. Er ist erstaunt darüber, wie hell es ist, und glaubt schon, es wäre Morgen, doch dann wird ihm klar, dass der Mondschein in sein Zimmer strömt. Jakey klettert aus dem Bett, weil er etwas ganz tief in seinem Herzen weiß, und geht zum Fenster. Sie ist da; er hat sich nicht geirrt. Tante Gabriel steht auf der anderen Seite der Einfahrt zwischen den Bäumen. Wie immer hat sie die Hände gefaltet, während sie zu seinem Fenster heraufsieht, obwohl er das rote Satinherz, das sie in den Händen hält, nicht erkennen kann. Aber er sieht ihr weißes Kleid. Es schimmert in den Strahlen aus Mondlicht, das zwischen den glatten Baumstämmen einfällt, sodass es wie Tigerstreifen aussieht.
    Jakey hebt die Hand und winkt ihr zu. Sie winkt nicht zurück; das macht sie nie, weil sie das Herz festhält, aber er weiß, dass sie ihm zulächelt. Sie nickt zur Bestätigung leicht, und er winkt noch einmal. Ob er zu ihr nach draußen gehen soll? Doch er weiß, dass Daddy böse wird, wenn er hinausgeht, ohne ihm Bescheid zu sagen. Hoffnungsvoll beobachtet er Tante Gabriel und wünscht, sie würde hereinkommen. Dann winkt er ihr ein letztes Mal mit beiden Händen, um ihr zu zeigen, dass er sie lieb hat, steigt wieder ins Bett, umarmt den Streifenhasen und schläft ein.
    Kitty steht am Wohnzimmerfenster und sieht zu, wie Rupert in den Volvo steigt. Es ist trüb und nieselt, und die Bäume scheinen schwer an der Last ihrer Blätter zu tragen. Sie wartet, während er seine Tasche in den Wagen stellt, und fühlt sich wie üblich einem ganzen Gewirr von Emotionen ausgeliefert: Sie ist traurig, dass er fährt, und doch sicher, dass sie sich nicht nötigen lassen darf. Rupert knallt die Heckklappe zu und öffnet die Fahrertür. Er blickt auf und hebt die Hand zu einem letzten Abschiedsgruß. Kurz darauf verschwindet der Wagen, und Kitty tritt mit verschränkten Armen zurück in den Raum und versucht angestrengt, ihre Nervosität und ihr schlechtes Gewissen zu vertreiben. Zum ersten Mal in ihrer Ehe haben sie wirklich Streit, aber sie weiß, dass sie weiter für ihre Sache kämpfen muss.
    Sie sieht zu dem großen Ölgemälde mit dem vergoldeten Rahmen auf, das über dem Kamin hängt; ein wild bewegtes, atmosphärisch dichtes Seestück, das Erinnerungen an ihr Zigeunerleben mit Rupert wachruft. Ein Büschel Grasnelken auf einer steinigen Landzunge neigt sich im Wind, der die Seevögel auf seinen Luftströmungen trägt, und lange, sich überschlagende Brecher, die auf den Sandstrand krachen. Einen winzigen Moment lang hört Kitty das Kreischen der Möwen vor dem Hintergrund des rastlos seufzenden Ozeans, und ihr Herz zieht sich vor Schmerz zusammen, als hätte sie etwas Kostbares verloren. Und dann klingelt ihr Handy, und sie läuft eilig hin. Sie wünscht sich, es wäre Rupert, aber sie weiß, dass er es nicht ist.
    »Kitty.« Sallys Stimme. »Rupert ist ja sicher gerade gefahren, und ich hatte überlegt, ob du dich vielleicht ein bisschen unglücklich fühlst und ich vorbeikommen soll. Ich bin gleich um die Ecke in der Whiteladies Road.«
    »Ach, Sal, das wäre großartig.« Erleichtert stürzt sich Kitty auf die Ablenkung. »Ehrlich, das ist so komisch. Natürlich gibt es da nach wie vor diesen Streitpunkt zwischen uns. Doch Rupert war dieses Wochenende richtig nett, und jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen. Es klingt verrückt, aber es ist beinahe einfacher, wenn wir über das Ganze streiten. Nein …«, sie fährt mit der freien Hand durch ihr Haar, »nein, so meine ich das nicht. Ach, zum Teufel

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