Der Duft des Apfelgartens
sanften, spirituellen Gewissheit zurück, die ihrem eigenen inneren Engel entspringt, wenn sie zulässt, dass die Schleier der Sorge, die ihn verhüllen, zurückgezogen werden.
Wir treten vor Gott … wir treten vor Jesus …
Frieden erfüllt Schwester Emilys Seele, als sie mit dem Abstauben der Bibliothek fertig ist und ein Fenster weit öffnet. Draußen ist es windig und sonnig, und sie sieht Clem, der den Rasen mäht, und dahinter, auf dem Weg zum Strand, einen roten Fleck: Janna, die in die Freiheit der Klippen flüchtet. Doch das bereitet Schwester Emily jetzt keine Sorgen. Der Frieden weicht nicht aus ihrem Herzen; sie bewahrt ihre Ruhe. Sie schließt die Tür hinter sich und geht in die Küche, wo das Frühstück weggeräumt und das Mittagessen schon vorbereitet ist; ein besonderes Essen zu diesem Festtag.
Schwester Emily lächelt voller Vorfreude, räumt die Möbelpolitur weg und geht ihr Staubtuch auswaschen.
Wir empfangen ein unzerstörbares Reich/so lasset uns danken …
Draußen auf der Klippe spaziert Janna durch die goldene, windige Luft. Unterhalb der Wand schlüpfen Ottern; sie sehen aus wie wimmelnde goldene Schnürsenkel, die über das sandige Gras davonschlängeln. Die Malven und die Grasnelken blühen nicht mehr, aber zwischen dem Granit ranken blassrosa Winden, und zwischen der regennassen Gerste auf der breiten Landzunge wächst leuchtend roter Mohn. Der sonst von Möwen bevölkerte weite, klare blaue Himmel ist leer, doch sie sieht die Schwärme tief über dem Meer kreisen; leuchtendes Weiß vor dem hellen Grün und dann Schwarz vor der grell blitzenden Gischt. Wenn sie sich ins Gras legen und das Ohr an den Boden halten würde, könnte sie das donnernde Echo der Wogen hören, die in den verborgenen Höhlen weit unter ihr aufschlagen und sich wieder zurückziehen.
Schnell geht sie in Richtung Westen und versucht, sich mit dem Problem ihrer Zukunft auseinanderzusetzen, aber sie ist einfach zu müde, um klar zu denken. Sie spürt, wie sie unwiderstehlich von einer großen Welle der Veränderung davongetragen wird, und im Moment hat sie nicht die Kraft, sich dagegenzustemmen. Trotzdem hat sie nicht die Absicht, sich davonreißen zu lassen. Wenn die Zeit kommt, muss sie ihr Herz verhärten und um ihre Freiheit kämpfen.
Ein Paar mittleren Alters in Shorts und T-Shirts und mit Sonnenhüten und Rucksack kommt auf sie zu. Die beiden grüßen sie fröhlich. »Herrlich, nicht wahr?«, rufen sie und weisen auf die Sonne, das Meer und die dramatische Küstenlandschaft, und Janna nickt und antwortet, ja, es sei herrlich, wunderbar. Sie alle strahlen einander beifällig an und gehen dann ihrer Wege. Neben einem glatten grauen Felsen sitzt der Mann, von dem sie jetzt weiß, dass er Mr. Caine heißt und angeblich ein Buch über die Küste von Nordcornwall schreibt. Er hockt da, das Handy ans Ohr geklemmt, und sieht aufs Meer hinaus, und sie huscht unbemerkt an ihm vorüber.
Auf der Klippe oberhalb von Trevone sieht sie zu den Kindern hinunter, die am Strand spielen, und auf ihre Eltern, die hinter fröhlich bunten Windschutzsegeln sitzen. Ihr Blick wandert weiter zu den Surfern, die gebückt und schwankend auf ihren Boards stehen und auf den langen, steilen Wellen reiten, die zwischen den Landzungen hereinkommen. Sie fragt sich, ob sie vielleicht einige von ihnen kennt, ob das dieselbe Gruppe ist, die sie an jenem Tag im letzten Herbst, als sie nach Chi-Meur kam, im Wagen mitgenommen hat.
Janna steht da, beobachtet sie und sieht auch ihre Autos und Vans, die am Strand parken, und die anderen Surfer, die sich umziehen, sich abtrocknen und miteinander reden. Mit einem Mal sehnt sie sich danach, da unten bei ihnen zu sein, müßig und sorglos, und ebenfalls den Wellen zu folgen – aber sie weiß, dass sie sich nicht an sie erinnern werden. Sie ist den Menschen, die sie getroffen hat, nie nahe genug gekommen, um echte Freundschaften zu schließen, denn sie war immer einen Tag hier und am nächsten wieder fort. Sogar Nat gegenüber, den sie liebt, hütet sie ihre Freiheit. Hier hat sie zum ersten Mal so etwas wie ein richtiges Zuhause und eine Familie gefunden, die sie wirklich liebt: Vater, Mutter, die Schwestern und Clem und Jakey …
Janna zögert. Sie kann über den Klippenpfad zum Strand hinuntergehen, mit den Surfern plaudern, Freundschaften schließen und eine Mitfahrgelegenheit ergattern, oder sie kann zu ihrer Familie zurückkehren. Plötzlich hat sie das Gefühl, in dem heulenden Wind
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