Der Duft des Apfelgartens
mag weder Partys feiern noch Freunde um sich scharen. Von Natur aus ist sie Einzelgängerin und liebt wilde, leere, stille Landschaften. Man könnte sagen – tatsächlich behauptet Schwester Emily das –, dass der Himmel sie geschickt hat.«
An Schwester Ruths zusammengepressten Lippen las er ab, dass es unklug gewesen war, das zu erwähnen.
»Schwester Emily ist schon immer avantgardistisch gewesen«, murmelte sie. »Sie hat auch die Taizé-Kurse eingeführt. Ich nehme an, durch diese neue Idee mit dem Einkehrhaus können wir uns auf allerhand neumodische Dinge gefasst machen.«
»Wahrscheinlich.« Er mochte sich nicht in diesen alten Streit verwickeln lassen. »Tatsache ist, Schwester, dass Sie jemanden brauchen werden, der mit Ihnen in der Remise lebt und Sie versorgt. Warum nicht Janna?«
Sie hätte nicht antworten können, ohne ihre Vorurteile einzugestehen: Janna ist nicht gebildet und nicht einmal Christin.
»Janna lebt Christus«, hielt ihr Schwester Emily fest entgegen, als bei einer der Kapitelversammlungen dieser Vorwurf erhoben worden war. »Sie ist liebevoll, großherzig, freundlich, und sie besitzt die große Gabe der Demut. Und sie will nicht Postulantin bei uns werden, sondern nur für uns arbeiten.«
Als Vater Pascal jetzt Janna in die Augen sieht, fühlt er sich frustriert.
»Ich verstehe ja, warum das mit dem Wohnwagen nicht mehr lange funktionieren würde«, sagt sie. »Die Schwestern brauchen jemanden, der im Notfall nicht weit ist. Sie sind alle so gebrechlich, und besser wird das sicher auch nicht, oder? Aber wäre es nicht vernünftiger, jemand Qualifizierten einzustellen, zum Beispiel eine Krankenschwester oder so? Ich meine, was soll ich machen, wenn eine der Schwestern krank wird?«
»Entscheidend ist die Liebe«, sagt er, »und das Vertrauen. Bei Ihnen fühlen sie sich sicher. Falls das nötig wird, können wir jederzeit einen Krankenwagen rufen oder eine Pflegerin oder ausgebildete Krankenschwester suchen. Die Schwestern lieben Sie.«
»Schwester Ruth nicht«, gibt sie unumwunden zurück, und mit einem Mal lacht sie. »Tut mir leid, Vater«, sagt sie dann zerknirscht. »Ich wollte ehrlich nicht herkommen und Ihnen die Ohren zureden. Ich kann mir nur einfach nicht vorstellen, wie das zwischen ihr und mir funktionieren soll. Können Sie das?«
»Nein«, antwortet er aufrichtig. »Das kann ich nicht. Die Initiative liegt bei Gott. Ich werde weiter um eine Antwort beten.«
Immer noch lächelnd sieht sie ihn an. »Das ist aber eine große Bitte.«
Er lächelt ebenfalls. »Daran ist Er gewöhnt«, gibt er fröhlich zurück.
Die Geburtstagsparty für den Streifenhasen findet ein paar Tage, bevor Jakey wieder zur Schule muss, statt. Der feuchte, trübe August ist einem warmen, windigen September gewichen; das Gras unter den Stufen des Wohnwagens ist mit goldener und roter Kapuzinerkresse übersät, und Jannas Silbervase ist voll mit späten Wicken.
Dossie hat Janna auf die Party angesprochen, und die junge Frau hat begeistert reagiert.
»Jakey glaubt, Sie seien traurig«, sagte sie auf ihre übliche direkte Art. »Ich hoffe doch, dass Schwester Ruth Ihnen nicht das Leben schwer macht?«
»Irgendwie schon.« Janna zuckte die Schultern. »Aber das ist nicht ihre Schuld. Es liegt auch an mir. Ich kann mir nicht richtig vorstellen, wie ich in diese neue Konstellation passen soll. Das ist alles. Machen Sie sich keine Gedanken darüber.« Sie wechselte das Thema. »Und wie läuft es mit Rupert?«
Während Dossie jetzt Teller mit winzigen Lachs-Sandwiches und Wurstpasteten auf der Decke vor dem Wohnwagen verteilt, sorgt sie sich immer noch um Janna.
»Vater Pascal behält die Sache im Auge«, hat Clem gesagt. »Wir alle tun das. Janna hat mir versprochen, dass sie nicht einfach wegläuft.«
Der bloße Gedanke daran, sie könnte verschwinden, hat Dossie schockiert und sie mit einer diffusen Angst erfüllt. Inzwischen weiß sie ein wenig über Jannas schwierige Vergangenheit, über ihre Angst vor festen Beziehungen, die im Widerstreit mit ihrem Bedürfnis, sich irgendwo zugehörig zu fühlen, steht. Während sie ihrer eigenen Arbeit nachgeht und sich darauf vorbereitet, das Court wieder als Pension zu betreiben, erfasst Dossie zunehmend die Furcht, Janna könnte verschwinden und wieder orientierungslos dahintreiben. Noch besorgniserregender ist Jannas Weigerung, über das Thema zu sprechen, offen zu sein. In letzter Zeit geht sie jedem Gespräch über ihre Gefühle aus dem Weg, und
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