Der Duft des Apfelgartens
können wie vorher.«
»Was ist denn jetzt anders?«
Janna zögert: In der Tat, was wäre so anders, wenn sie statt im Wohnwagen in den Zimmern leben würde, die Clem ihr gezeigt hat? Langsam tastet sie sich zur Wahrheit vor.
»Als ich nach Chi-Meur gekommen bin, hat Penny noch den Großteil der Verantwortung für das Kochen und so gehabt. Ich war zufrieden damit, draußen zu arbeiten und bei ihr auszuhelfen; und dann, als sie krank wurde, war das so etwas wie ein Notfall. Man springt eben ein, oder? Irgendwie kommt man zurecht, und dann stellt man fest, dass es in Ordnung für einen ist. Daran bin ich gewöhnt. Einen Job antreten, aushelfen, einspringen und irgendwann weiterziehen. So lebe ich normalerweise. Aber jetzt«, – sie holt tief Luft –, » jetzt soll ich mich freiwillig zu etwas verpflichten. Da sind all diese neuen Ideen und Pläne. Und ich bin ein Teil davon. Ich soll von Anfang an eine richtige Rolle dabei spielen. Also, ja, das ist so etwas wie eine totale Festlegung auf die Zukunft hier, und mir gefällt der Gedanke nicht, dass ich später vielleicht wieder aussteigen will. Es geht nicht darum, dass ich gehen kann, wenn es mir nicht gefällt. Ich muss es wirklich wollen, nicht wahr? Das ist so, wie Sie es vorhin gesagt haben, mit dem Kreuzigen. Sie haben sich dafür entschieden. Sie haben ein Gelübde abgelegt. Und jetzt ist es so, als müsste ich irgendwo in meinem Inneren auch etwas schwören, und ich weiß nicht, ob das richtig ist oder ob ich das will. Ich weiß es einfach nicht!«
Plötzlich sieht sie aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen, und Schwester Emily legt ihr einen Arm um die Schultern.
»Es ist niemals klar«, sagt sie leise. »Manchmal muss man sich auf die Ungewissheit einlassen. Und es ist nie leicht oder perfekt, sondern nur das Beste, was wir zum jeweiligen Zeitpunkt fertigbringen. Aber auf dieser Reise werden uns Menschen geschenkt, die uns stützen und ermutigen. Wir schätzen Sie und haben das Gefühl, dass Sie hier bei uns eine besondere Rolle spielen, deswegen möchten wir Sie ungern gehen lassen, weil Sie sie im Moment nicht klar sehen. Das ist alles.«
Ein Schrei, eine laut gerufene Begrüßung, wildes Klingeln, und dann sehen sie Jakey auf seinem Fahrrad über die Weide heranhoppeln. Der Streifenhase sitzt in dem Korb auf dem Gepäckträger, und Clem geht mit großen Schritten hinter Jakey her. Janna wischt sich die Tränen aus den Augen und winkt zurück.
Schwester Emily schmunzelt. »Da sind Sie ja gerade noch einmal vor einer Antwort bewahrt worden.«
Michaeli
Schwester Nicola drückt sich durch die halb offene Tür und wartet kurz. Wenn sie sich hier hinsetzt, ganz hinten, gleich an die Tür, wird sie niemand sehen. Sie liebt es, in die Kapelle zu huschen, gerade wenn die Komplet beginnt, und den anderen Schwestern beim Nachtgebet zuzusehen. Das Ewige Licht schimmert in seiner steinernen Nische, und in der Terrakotta-Schale zu Füßen der Muttergottesstatue brennen Kerzen.
Die Oberin spricht die vertrauten einleitenden Worte: »Der Herr schenke uns eine ruhige Nacht und ein gutes Ende.«
Eulen rufen, und der schwache Duft von Astern mischt sich mit den Weihrauchspuren. Schwester Nicola atmet tief und glücklich ein. Wie rein und lieb das Gesicht der jungen Novizin in ihrer Bank neben der Muttergottes ist, wo sie halb in den immer dichteren Schatten verborgen ist, wie glücklich sie aussieht und wie klar die Stimmen klingen, als sie gemeinsam das Abendlied zu singen beginnen.
Sei unser Heil, o Herr, wenn wir wachen, und unser Schutz, wenn wir schlafen,
damit wir wachen mit Christus und ruhen in seinem Frieden.
Schwester Nicola schließt die Augen und lässt die Gedanken schweifen. Erinnerungen ziehen wie Rauch vorüber.
»Ich könnte niemals Nonne werden! Dazu bin ich zu heftig, zu gierig, zu intolerant. Aber ich würde gern in dem kleinen steinernen Pförtnerhäuschen am Tor leben, am Ende der Auffahrt, in dem großen, ummauerten Garten arbeiten und in der Küche helfen. Einfach am Rande der Gemeinschaft zu leben, das könnte ich schaffen, und vielleicht würde dann auch ein Hauch von Gnade auf mich abfallen. Ich könnte mich in die Kapelle schleichen und einfach an der Tür sitzen und den Psalm mitsingen.«
Dieses Mädchen, diese junge Novizin … wie klug sie aussieht, wie zielstrebig. Wie wunderbar es sein muss, so voller Zuversicht zu sein. Sie muss sich sicher sein, dass sie auserwählt ist. Gott hat sie an der Schulter berührt und
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