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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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zu dritt in der Menschenmenge in der Mall aufgehalten hatten, musste sich der Verschluss gelöst haben, und Kette und Diamant waren auf den Boden gefallen.
    Immer wieder betonte Julitta, sie wünschte, sie könnte die Uhr zurückdrehen. Hätte sie doch nur nicht das blöde Teil getragen. Sie gäbe alles dafür.
    »Jetzt hast du aber nichts mehr«, sagte Anwar knallhart, obwohl Julitta immer noch ihren Anteil von den zehntausend Pfund besaß und er ihr eigentlich den Anhänger nie hatte überlassen wollen. »Da es sowieso zu spät ist, kannst du mit dem Geflenne aufhören. Verdammt, ich kann es nicht leiden, wenn eine Frau weint.«
    Aber Julitta schluchzte weiter. »Irgendeiner hat ihn aufgehoben und behalten«, heulte sie und fügte hinzu: »Scheißdiebe.« Die Ironie dieses Ausrufs war ihr nicht bewusst.
    Flint schleppte sie nach Hause. Es war drei Uhr morgens. Kaum waren sie weg, machte sich Anwar auf seinem Gaskocher einen Becher Kakao mit Milchschokoladesplittern obendrauf. Das half ihm beim Nachdenken. Er war es gewesen, und nicht Julitta, der unter der Abaya Jeremys Rucksack am Aberdeen Place eingesammelt hatte. Wie beabsichtigt, hatte ihn der reiche Knacker für ein Mädchen gehalten. Vielleicht sollte er es wieder tun. Andererseits waren jetzt sie an der Reihe …
    Diesmal könnte Flint die Knete einsammeln, und Julitta wäre dran, wenn ihnen ein dritter Versuch gelänge. Der Typ war völlig harmlos, für alles andere hatte er viel zu viel Angst. Keefer hatte sich verleiten lassen, neben Methadon auch Heroin zu spritzen, eine gefährliche Mischung. Jetzt konnte er nicht mehr sprechen und war so apathisch, dass Anwar ihn mit Flint die Treppe hinuntergetragen, in den weißen Van verfrachtet und auf der Treppe des St. Mary’s Hospital abgeladen hatte. Das beweise doch nur, dachte Anwar, wie sehr willensschwachen und wenig intelligenten Menschen der ungewohnte Besitz von Geld in den Kopf steigt. Manchmal konnte er ein richtiger Moralapostel sein.
    Er trank seinen Kakao aus, schlüpfte unter die Daunendecke und war binnen zwei Minuten eingeschlafen. Erst am nächsten Tag trafen sie sich wieder, um zwei Uhr nachmittags, aber selbst das war für Julitta noch zu früh. Sie gähnte unentwegt. Anscheinend hatte sie den Verlust des Anhängers verschmerzt, was man allerdings bei einem Menschen nur schwer feststellen konnte, der ständig den Mund aufriss. Sie diskutierten Pläne, wie sie sich die zweite Geldrate holen sollten.
    Flint hätte sich am liebsten mit Turban und Djellaba verkleidet. Als ihm Anwar erklärte, Kopfschmuck und Umhang gehörten verschiedenen Kulturkreisen an, fühlte er sich blamiert. Es sei viel besser, wenn er seine schwarze Kapuzenjacke trage und dazu eine dunkle Sonnenbrille.
    »Ich könnte mir aus dem Juxladen einen Schnauzer besorgen.«
    »Und meine Mama hat eine Perücke«, warf Julitta ein. »Die hat sie damals bei ihrem Haarausfall bekommen.«
    »Werdet doch endlich erwachsen, ja?«, sagte Anwar. »Und hör endlich zu gähnen auf, verdammt noch mal. Mich kotzt der Anblick deiner Mandeln schon an.«
    Letztlich machte sich Flint genau nach Anwars Empfehlung auf den Weg zum Odeon im Swiss Cottage: Jeans, schwarze Lederstiefel, weite Kapuzenjacke und eine Sonnenbrille im Rennfahrerlook, dazu in einer Hosentasche eine zusammengerollte Plastiktüte von Tesco. Der Knacker hatte zwar die Anweisung, das Kino um fünf nach drei zu betreten, aber Flint war nicht überrascht, als er ihn schon um drei Minuten vor drei mit einer Computertasche in der Hand von der Bushaltestelle über die Straße kommen sah. So ist das, wenn man Nervenflattern hat. Vor drei viertel vier würde der nicht abzuhauen wagen. Flint ging auf einen Kaffee über die Straße.
    Während Jeremy, mit der Tasche auf dem Schoß, auf dem äußersten rechten Stuhl der vierten Reihe saß, schaute er sich suchend im Kino nach einer Frau im schwarzen Gewand um. Keine da. Die einzigen anderen Leute waren zwei Frauen in mittleren Jahren, die zusammengehörten, eine Frau mit einem ungefähr sechsjährigen Kind und mehrere einzelne Männer. Als die halbe Stunde um war, liefen immer noch die Werbung und verschiedene Trailer. Wieder blickte er sich um. Waren vorher mit ihm insgesamt sieben Leute im Kino gewesen oder acht? Er war sich nicht sicher. Hatte die Gestalt mit der Kapuzenjacke von Anfang an dort gesessen oder war sie erst vor kurzem hereingekommen? Es war ziemlich egal. Handelte es sich um einen Mann oder um ein Mädchen? Für einen Mann

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